In sanguine veritas - Die Wahrheit liegt im Blut (German Edition)
der Türkei gewesen. Sie hatten ein Haus in der Nähe des Meeres. Nächstes Jahr durfte ich mitfahren, hatten mir meine Eltern versprochen. Ich freute mich schon wie irre darauf, knackig braun zu werden und mit Aisha die Jungs am Strand zu beobachten. Sie kam aus einer sehr modernen türkischen Familie und durfte alles, was wir anderen Mädchen auch durften. Sie hatte wunderschöne schwarze lange Haare und ich beneidete sie sehr darum. Sie waren wie Seide und nicht so struppig wie meine. Eva, deren Mutter Physiklehrerin an unserer Schule war, hatte die Ferien mit ihren Eltern in Thailand verbracht, doch ihr stand nicht der Sinn danach, uns davon zu erzählen. Sie hatte wichtigere Neuigkeiten.
„Habt ihr in den Ferien das mit den Vampiren un d der Schulpflicht mitbekommen?“
Ich hatte es in der Zeitung am Strand gelesen. Die erste Woche , bevor ich Ben kennenlernte, hatte ich damit verbracht, davon zu träumen, wie es sei, wenn ein Vampir in meiner Klasse wäre. Ich nickte wieder mit dem Kopf. Aisha schüttelte den ihren.
„Die Regierung hat beschlossen, dass Vampire ebenfal ls der Schulpflicht unterliegen“, klärte Eva Aisha auf.
„Echt?“ , staunte sie.
M eine Freundin tat sich schwer damit, sich vorzustellen, wie sich ein Vampir in der Schule macht. Ich, ehrlich gesagt, auch.
„Ja . Und meine Mutter hat gesagt, dass für dieses Schuljahr zwei Vampire bei uns angemeldet wurden.“ Froh, dass es endlich raus war, strahlte Eva uns an und wartete auf eine Reaktion.
Ich war baff. Endlich würde ich einen echten Vampir zu Gesicht bekommen, auch wenn er noch ein kleiner Fünftklässler war. Mein Körper kribbelte vor lauter Aufregung und als ob wir uns abgesprochen hätten, suchten wir mit unseren Augen den Schulhof ab. Kein Vampir zu sehen. Den Mythos, dass Vampire nur nachts raus konnten, hatte die Vampirvereinigung In sanguine veritas bereits am Anfang ihres Outings richtiggestellt. Er kam vermutlich daher, dass Vampire die Nacht lange Zeit als Schutz vor Menschenaugen genutzt hatten. Sie sagten, dass sie der Schatten wäre, aus dem sie immer heraustreten wollten. Allerdings traf man Vampire – wenn überhaupt – meist nur bei Nacht. Teils lag dies an ihrer Gewohnheit und teils vertrugen sie die Sonne nicht richtig. Klar, nach Tausenden von Jahren in Dunkelheit war das kein Wunder. Ich bekomme die Augen schon nach zwei Stunden Kino nicht mehr auf. Noch dazu haben Vampire eine sehr blasse Haut und ähnlich wie Albinos werden sie statt braun wohl eher krebsrot. Vorausgesetzt, ein Vampir konnte Sonnenbrand bekommen. Naja, jedenfalls sorgte ihre Nachtaktivität dafür, dass einige immer noch glaubten, Vampire würden im Sonnenlicht verbrennen.
„Vielleicht ist einer davo n ja bei uns in der Klasse?“, fragte Aisha aufgeregt.
„Schulpflicht haben sie nur bis fünfzehn oder sechzehn – glaube ich zumindest“, fügte ich hinzu.
Eva schüttelte wild ihren lockigen Kopf. „Meine Mutter sagt, dass sie beide in unserem Alter sind. Es sind ein Mädchen und ein Junge.“
Ich hatte das Gefühl , keine Luft mehr zu bekommen, und meine Muskeln waren steif vor Aufregung. Die Chance, dass einer der beiden in unsere Klasse kam, war also gar nicht mal so schlecht, immerhin waren es zwei und es gab drei Klassen in unserem Jahrgang.
Ich hörte ein Niesen und drehte mich um, um demjenigen G esundheit zu wünschen, aber ich sah niemanden. Irritiert wandte ich mich wieder meinen Freundinnen zu und nahm in einiger Entfernung hinter ihnen die selbst ernannte Schulhofkönigin Marianna wahr. Sie war in meiner Klasse, hatte blaue Augen und blondes, wallendes Haar. Ihr Gesicht wies strenge, aber geradlinige Züge auf, gekrönt von einer feinen, spitzen Nase. Die Jungs waren ihr reihenweise verfallen, aber sie hielt sich für etwas Besseres. Keiner war ihr gut genug. Dieses Mädchen war unsere erklärte Feindin und Thema Nummer Eins, wenn wir lästern wollten. Zu meinem Schrecken lief Miss Wunderschön genau in unsere Richtung.
„Ihre Hoheit kommt“, warnte ich meine Freundinnen, ehe sie in Hörweite war.
„Na Mädels, wie geht’s euch?“, trällerte sie uns zu. „Netter Fummel, Aisha.“
„Was willst du? “, keifte Eva und strafte sie mit einem abwertenden Blick.
„Nun ja, ich wollte euch nur mitteilen, dass ich seit dem So mmer mit Mark zusammen bin.“
Mark war der wohl hübscheste Junge an unserer Schule. Er war eine Klasse über uns und die meisten Mädels schwärmten von ihm. Na ja, ich fand ihn nur
Weitere Kostenlose Bücher