In sanguine veritas - Die Wahrheit liegt im Blut (German Edition)
lächelte und schüttelte den Kopf über den Zwischenrufer.
„Also Miriam, wollen wir? Meine Schwester wartet schon auf mich.“ Er hatte Mariannas Angebot einfach überhört.
Ich grinste in mich hinein, nickte ihm zu und ging voran. Ein-undzwanzig Augenpaare beobachteten, wie ich, gefolgt von Elias, Eva und Aisha, das Klassenzimmer verließ.
„Ach übrigens, hier sind deine Zettel“, sagte ich und drückte ihm die Blätter in die Hand.
Plötzlich stand die schöne Vampirin von heute früh neben uns und begrüßte ihren Artgenossen in einer mir unbekannten Sprache. Sie umarmten sich nicht, so wie ich es bei meinen Freunden zur Begrüßung pflegte, sondern standen sich gegenüber und legten ihre Handflächen aufeinander. Es sah aus, als würden sie sich über ihre Augen unterhalten. Nachdem sie fertig waren, sah Elias zu mir rüber und stellte sich dann neben mich.
„Ok ay, dann mal los“, sagte er.
Anastasija blieb bewegungslos wie eine wunderschöne Scha ufensterpuppe stehen. Da ich wieder voranging, bekam ich viel zu spät mit, dass nur Elias mir folgte, Eva und Aisha aber bei Anastasija stehen geblieben waren. Sie zeigten ihr etwas auf einem Zettel, den die Vampirin in ihren filigranen Fingern hielt. Hatten die beiden uns absichtlich getrennt?
Wir mussten in den vierten Stock. Unterwegs sprachen wir kein Wort und als wir oben waren, war ich völlig aus der Puste und vollkommen durchgeschwitzt. Elias sah aus, al s könnte er die Treppen noch zehnmal laufen, ohne dabei auch nur annähernd Kräfte zu verbrauchen. Nur seine Nase machte ihm zu schaffen. Immer wieder rieb er sie schnell, um nicht niesen zu müssen.
„Wolltest du ei gentlich zur Schule?“, brach ich das Schweigen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass da jemand freiwillig hinwollte. Elias zuckte mit den Schultern, als ob er sich dazu noch keine Meinung gebildet hätte.
„Meine Eltern hielten es für das Richtige. Wenn es hilft , die klaffende Schlucht zwischen unseren Arten zu verkleinern, wieso nicht?“
Wir gingen jetzt durch einen langen , dunklen Flur. Elias seufzte erleichtert und zog die Sonnenbrille hoch. Ob ich mich je an rote Augen gewöhnen könnte? Als Kind hatte ich immer Angst vor Monstern mit roten Augen gehabt, weil sie für mich das personifizierte Böse waren.
„So , hier sind die Naturwissenschaftsräume und da haben wir morgen früh Unterricht, Raum 510“, sagte ich und deutete auf den Raum rechts von uns.
Er nickte verstehend. „Danke, Miriam.“
„Keine Ursache.“ Wir standen uns schweigend gegenüber und starrten uns an. „So, ich muss jetzt auch los. Mein Bruder wartet sicher schon auf mich.“
Elias nickte wieder und wir gingen zurück zur Treppe.
„Großer oder kleiner Bruder?“, fragte er.
Oha ! Der schweigsame Vampir wollte auf einmal Smalltalk betreiben.
„Er ist schon in der Oberstufe. Er heißt David.“
„Sieht er dir ähnlich?“
„Nein, ich komme nach unserer Mama und er eher nach unserem Vater.“
Wieder nickte er nur.
„Anastasija und du, ihr seht euch sehr ähnlich.“
„Ja, wir sind Zwillinge. “
„So was hab ich mir schon gedacht.“
„ Hatschi.“
„Gesundheit“ , sagte ich mit einem Lachen, doch dann spürte ich, dass sein kalter Körper nicht mehr hinter mir war. Ich drehte mich um und sah ihn an. Er stand ein paar Stufen über mir. Sein Gesicht sah genervt aus. „Stimmt was nicht?“, fragte ich und konnte eine Spur Angst in meiner Stimme nicht verbergen. Ich stellte mir vor, dass er mich gleich anspringen und an mir saugen würde. Zu meiner eigenen Verwunderung interessierte mich dieser Gedanke aber mehr, als dass er mir Angst machte. Sein gesamter Oberkörper vibrierte und er stöhnte leise.
„Haa … haaa… HATSCHI … hatschi!“
„Gesundheit! “
E r hatte sich auf eine Stufe gesetzt und stützte seine Unterarme auf seinen Oberschenkeln ab. Sein blasser Teint ließ ihn nicht gerade gesund erscheinen, aber das war bei ihm wohl normal.
„Du solltest raus aus dem Licht.“ Ich fragte mich, wie er wohl morgen den ganzen Tag überstehen wollte .
„Nein, ich muss mich ja desensibilisie ren. Aber dass dieses Niesen so nervend ist, hätte ich nicht gedacht.“ Er ließ ein unbeholfenes Lächeln sehen.
„Hmm … sei froh, dass du nicht die Grippe bekommen kannst“, versuchte ich ihn aufzumuntern. Gute Aussage! So könnte ich die Krankheitsfrage aus erster Hand klären.
„Könnte ich schon … irgendwie …“, sagte er leise vor sich hin.
„Wie das
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