Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In Schönheit sterben

In Schönheit sterben

Titel: In Schönheit sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Goodhind
Vom Netzwerk:
ja, dass es eher mit den Baumgeistern zusammenhängt. Die schweben hier völlig frei und ungehindert herum und werden höchstens mal durch Wild oder die neuzeitlichen Najaden gestört.«
    Honey schaute sie verständnislos an. Ihr fiel als Antwort nur ein, dass die Schwingungen, die ihr Hinterteil bei der Fahrt über den holprigen Weg mitbekommen hatte, ihr vollauf reichten.
    Doherty hingegen sah die schlaksige Kalifornierin an wie immer: als wäre sie ein bisschen wirr im Kopf. Dagegen konnte Honey nichts einwenden, nur zeigte sie das niemals.
    »Anthea weiß, wovon sie spricht. Sie und die Mädels, die sind ein Hexenzirkel, eigentlich ein Zirkel von Waldnymphen«, erklärte Clint. »Man könnte sie auch weiße Hexen nennen, aber sie bezeichnen sich lieber als Najaden. Da kommt gerade eine. Guten Morgen, Violet.«
    Alle drehten sich um und sahen eine nackte und sehr rundliche Dame mit violett geäderten Beinen vorbeispazieren. Sie als Mädel zu bezeichnen, war nun wirklich ein bisschen gewagt.
    Violet trug auf einem Tablett einen Laib Brot und einen großen Käse.
    Mary Jane guckte, als wäre es ganz alltäglich, dass nackte dicke Frauen vorbeispazierten – was vielleicht für Kalifornien stimmte, sinnierte Honey.
    »Meine Güte, was für eine Mutter Erde sie ist!«, rief Mary Jane. »Ich habe in uralten Tempeln überall auf der Welt viele wie sie gesehen. Früher haben die Völker Frauen von ihrem Format als Fruchtbarkeitsgöttinnen verehrt, müsst ihr wissen.«
    Honey war verdattert. »Heutzutage gehen sie zu den Weight Watchers.«
    Clint winkte der Frau zu. »Ziemlich kühl heute, was, Violet?«
    »Na ja, zumindest ist es trocken«, rief die nackte Dame zurück. »Aber egal wie das Wetter ist, ich muss den Bäumen meine Huldigung darbringen.« Sie deutete auf ihr Tablett. »Jeder Tag und jedes Wetter ist gut für eine Opfergabe.«
    »Die muss doch frieren«, stellte Doherty besorgt fest.
    »Die friert nicht«, erwiderte Clint. »Sie ist doch eine Waldnymphe.«
    Darauf ließ sich nichts erwidern. Es wurde auch nicht weiter erklärt, warum es einen frostfest machte, wenn man eine Waldnymphe war. Es war gerade Frühling, englischer Frühling. Bis zum Sommer waren es noch zwei Monate, und es war gar nicht gesagt, dass heute überhaupt die Sonne scheinen und die Temperaturen den jahreszeitlichen Mittelwert je erreichen würden. Und selbst im Juni konnte einen die Kälte empfindlich in das eine oder andere Körperteil zwicken.
    Es wurde ihnen Kräutertee in dicken Henkelbechern angeboten, die, den Aufschriften nach zu urteilen, zumeist Souvenirs aus englischen Seebädern waren. Brighton. Blackpool. St Ives.
    Das dampfende Gebräu verströmte einen Duft, der Honey vage an staubige Brennnesseln und zermahlene Hagebutten erinnerte.
    Da sie seit dem Frühstück nichts zu sich genommen hatten, nahmen sie den Tee gern an, wenn Doherty auch ein wenig misstrauisch blickte.
    »Gar nicht schlecht«, sagte Honey, nachdem sie an ihrem Henkelbecher genippt hatte. Gesundheitstees waren eigentlich nicht ihre Sache.
    Doherty trank einen winzigen Schluck und schaute, als müsste er gleich spucken. »Großer Gott! Was ist denn da drin?«
    »Ich habe das höchstpersönlich aus frischem Löwenzahn zubereitet«, verkündete Clint stolz.
    »Nicht aus Brennnesseln?« Honey hatte keine Ahnung von Kräutertees, aber Brennnesseln schienen die übliche Zutat zu sein.
    »Nein, aus Löwenzahn. Es ist ein Diuretikum.«
    Doherty warf Honey einen fragenden Blick zu.
    Sie grinste verschmitzt. »Da muss man viel Wasser lassen.«
    Doherty kippte den Inhalt seiner Tasse ins Gras. »Dann passe ich. Ich muss ja noch nach Bath zurückfahren.«
    Honey hatte zwar nicht erwartet, dass Clint verschüchtert in einer Ecke hockte, aber doch, dass er ein wenig ängstlich wäre. Es schien ihm allerdings inzwischen nicht mehr das Geringste auszumachen, dass er ganz oben auf einer Abschussliste der Mafia stand. Honey hatte keine Beweise, dass Luigi tatsächlich zur Mafia gehörte, doch als sie einmal Benici und die Mafia in einem Atemzug erwähnt hatte, hatte Doherty eine sehr seltsame, unbeteiligte Miene aufgesetzt.
    Aber immer schön der Reihe nach. Erst wollte sie Clint fragen, welche Penner sich möglicherweise um die Schönheitsfarm herumtrieben.
    Clint runzelte die Stirn, als sie sich bei ihm danach erkundigte. »Also, ich kenne doch nicht alle, die in Bath unter den Brücken schlafen«, antwortete er in leicht beleidigtem Tonfall.
    Honey entschuldigte sich.

Weitere Kostenlose Bücher