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In seiner Hand

Titel: In seiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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sofort knallrot an, als mir bewusst wurde, was ich da eben gesagt hatte.
    Ben, der meine Verlegenheit bemerkte, legte mir lächelnd eine Hand aufs Knie. Ich drehte mich zu ihm um, und wir küssten uns. Es war ein sehr sanfter Kuss, bei dem sich unsere Lippen nur ganz leicht berührten, und wir ließen dabei die Augen offen, so dass ich in seinen Pupillen mein Spiegelbild sehen konnte.
    »Nach Hause«, sagte er noch einmal. »Heimwärts zu Toast und Tee.«
    Nach dem Toast und dem Tee gingen wir ins Bett und liebten uns. Wir machten kein Licht, und während es draußen immer kälter und dunkler wurde, hielten wir uns fest und wärmten einander. Ausnahmsweise sprachen wir mal nicht über düstere Themen, sondern taten das, was alle frisch gebackenen Liebespaare tun: Wir fragten einander über unsere amouröse Vergangenheit aus.
    Zumindest fragte ich ihn.
    »Das habe ich dir schon erzählt«, antwortete er.

    »Wirklich? Ach, du meinst, davor?«
    »Ja.«
    »Ist das nicht seltsam? Sich vorzustellen, dass ich all diese Dinge in mir trage – Dinge, die mir passiert sind, die du mir erzählt hast, Geheimnisse, Geschenke – und mich nicht mehr an sie erinnern kann? Wenn man sich an etwas nicht erinnert, dann ist das doch genau so, als wäre es nie passiert, oder?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete er. Ich fuhr mit einem Finger seine Lippen nach. Er lächelte in der Dunkelheit.
    »Du wirst es mir noch mal erzählen müssen. Wer war meine Vorgängerin?«
    »Leah. Eine Innenarchitektin.«
    »War sie schön?«
    »Ich weiß es nicht. Irgendwie schon. Sie war eine halbe Marokkanerin, mit sehr markanten Gesichtszügen.«
    »Hat sie hier gewohnt?«
    »Nein. Na ja, nicht richtig.«
    »Wie lange wart ihr zusammen?«
    »Zwei Jahre.«
    »Zwei Jahre – eine lange Zeit. Was ist passiert?«
    »Vor knapp einem Jahr hat sie sich in einen anderen verliebt und mich verlassen.«
    »Ganz schön dumm von ihr«, sagte ich. »Wie kann man dich nur verlassen?« Ich streichelte sein weiches Haar.
    Wir lagen unter der Bettdecke wie in einer kleinen Höhle, während sich die Welt draußen verdunkelte. »Warst du sehr verletzt?«
    »Ja«, antwortete er. »Ich glaube schon.«
    »Aber jetzt geht es dir wieder gut, oder?«
    »Ja. Und wie!«

    »Wir müssen über Jo reden«, sagte ich nach einer Weile.
    »Ich weiß. Ich habe fast ein schlechtes Gewissen, weil ich so glücklich bin.« Er streckte den Arm aus und schaltete die Nachttischlampe an. Die plötzliche Helligkeit blendete uns so, dass wir beide blinzeln mussten. »Sie war also am Mittwochnachmittag auf der Suche nach einer Katze, und du warst am Donnerstag auf der Suche nach ihr.«
    »Ja.«
    »Du folgst deinen eigenen Spuren.«
    »Wie diese verrückte Katzenfrau gesagt hat – man dreht sich im Leben oft im Kreis.«

    23
    Nachdem Ben gegangen war, um fürs Abendessen einzukaufen, rief ich aus einem spontanen Impuls heraus Sadie an.
    »Hallo«, sagte ich. »Rate mal, wer hier ist!«
    »Abbie? Mein Gott, Abbie, wo steckst du bloß? Ist dir eigentlich klar, dass ich nicht mal eine Telefonnummer von dir habe? Ich war gestern Abend bei Sam, er hat eine kleine Geburtstagsparty gegeben, und wir haben alle gesagt, wie seltsam es ist, dass du nicht bei uns bist. Wir haben sogar auf dich angestoßen. Na ja, eigentlich haben wir auf alle abwesenden Freunde angestoßen, aber damit warst hauptsächlich du gemeint. Keiner von uns hat gewusst, wie man dich erreichen kann. Du bist völlig von der Bildfläche verschwunden.«
    »Ich weiß, ich weiß, und es tut mir Leid. Ihr fehlt mir alle sehr, aber ich – ich kann es jetzt nicht erklären. Ich hätte an seinen Geburtstag denken sollen, ich habe ihn noch nie vergessen, aber im Moment ist alles, na ja, ziemlich dramatisch.«
    »Geht es dir gut?«
    »Mehr oder weniger. Einerseits ja, andererseits nein.«
    »Klingt sehr geheimnisvoll. Wann kann ich dich sehen?
    Wo wohnst du?«
    »Bei einem Freund«, antwortete ich vage. »Und wir sehen uns bestimmt bald. Ich muss nur noch ein paar Dinge klären. Du weißt schon.« Am liebsten hätte ich gesagt: Ich muss vorher noch mein Leben retten. Aber das klang zu verrückt. Es fühlte sich auch verrückt an, jedenfalls hier in Bens Haus, wo die Lichter brannten, die Heizkörper summten und aus der Küche das Geräusch der Geschirrspülmaschine herüberdrang.
    »Ja, aber eins muss ich dir noch erzählen, Abbie: Ich habe mit Terry gesprochen.«
    »Wie geht es ihm? Hat ihn die Polizei inzwischen auf freien Fuß gesetzt?«
    »Ja.

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