Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

In seiner Hand

Titel: In seiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
Vom Netzwerk:
mich an nichts erinnere.«
    »Möchtest du noch Kaffee?«
    »Ja, bitte. Leider weiß ich auch nicht, wohin Jo unterwegs war. Jedenfalls lag zwischen dem Zeitpunkt ihres Verschwindens und meiner Entführung nur eine kurze Zeitspanne. Jedenfalls weiß ich, dass Jo am Mittwochvormittag noch da war. Das hat mir ihr Nachbar Peter erzählt. Und ich bin mit ziemlicher Sicherheit am Donnerstagabend verschwunden.«
    »Abbie.« Ben nahm meine Hände und hielt sie zwischen seinen fest. »Nun mal langsam!«
    »Rede ich wirres Zeug?«
    »Es ist erst zehn nach sieben, und wir sind spät ins Bett.
    Ich bin noch nicht im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte.«
    »Ich glaube, ich muss die Sache mit der Katze weiterverfolgen.«
    »Wie bitte?«
    »Jo wollte sich ein Kätzchen zulegen. Das weiß ich ebenfalls von Peter. Sie hatte schon alles Nötige gekauft.
    Ich nehme an, sie hatte vor, sich so schnell wie möglich eins zu besorgen. Wenn ich herausbekäme, an wen sie sich deswegen wenden wollte, dann – na ja, mir fällt jedenfalls nichts Besseres ein. Irgendwo muss ich ja anfangen.«
    »Folglich planst du jetzt, eine Katze aufzuspüren?«
    »Ich werde in der Tierhandlung und in der Post nachfragen, wo die Leute oft Zettel aushängen. Und beim Tierarzt. Bei Tierärzten hängen bestimmt auch solche Notizen, meinst du nicht? Na ja, wahrscheinlich ist das Ganze sowieso ein sinnloses Unterfangen. Wenn du bessere Ideen hast, dann raus damit!«
    Ben sah mich lange an. Mir ging durch den Kopf, dass er jetzt wahrscheinlich dachte: Lohnt sich das wirklich? Bis zu einem gewissen Grad war ich mir über meinen Zustand durchaus im Klaren. Ich mochte wirres Zeug reden, aber wenigstens war ich mir dessen noch bewusst.
    »Ich mache dir einen Vorschlag«, sagte er. »Ich muss im Büro ein paar Briefe abholen und den Jungs Instruktionen erteilen. In zwei Stunden bin ich wieder da, dann machen wir uns gemeinsam auf den Weg.«
    »Wirklich?«

    »Mir gefällt die Vorstellung nicht, dass du allein durch die Gegend läufst.«
    »Du weißt, dass du das nicht zu tun brauchst. Du bist nicht für mich verantwortlich.«
    »Das Thema haben wir doch gestern Abend schon geklärt, wenn du dich erinnerst.«
    »Danke«, sagte ich. »Vielen Dank.«
    »Wie wirst du dir die Zeit vertreiben, bis ich wieder da bin?«
    »Ich werde noch mal mit Cross sprechen, auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass er begeistert sein wird, von mir zu hören.«
    »Du musst ihn trotzdem anrufen.«
    »Ich weiß.«
    »Ich werde es vom Büro aus noch mal bei Jos Eltern versuchen. Gestern Abend hat niemand abgenommen. Wir sollten auf jeden Fall mit ihnen reden, bevor wir uns an die Polizei wenden.«
    »Ja, du hast Recht.«
    Kurz vor acht brach Ben auf. Ich duschte so heiß, dass ich es gerade noch aushielt, und machte mir anschließend frischen Kaffee. Dann rief ich Cross an, erhielt aber nur die Auskunft, er werde erst nachmittags wieder in seinem Büro sein. Ich wäre vor Ungeduld fast in Tränen ausgebrochen. Ein halber Tag ist eine lange Zeit, wenn man das Gefühl hat, dass jede Minute zählt.
    Ben würde erst in zwei Stunden zurückkehren. Ich räumte die Küche auf und bezog das Bett frisch. Sein Haus wirkte erwachsener als alles, was ich bisher gewohnt gewesen war. Ich fand, dass Terry und ich ein bisschen wie Studenten gehaust hatten. Alles in unserem Leben –
    auch wo und wie wir wohnten – hatte etwas leicht Provisorisches gehabt, sich einfach irgendwie ergeben.
    Wir waren einigermaßen zurechtgekommen, aber es war immer chaotisch gewesen und am Ende in Gewalt eskaliert. Bens Lebensweise dagegen war beständig. Er hatte sich einen Beruf ausgesucht, der ihm lag, und er lebte in einem schönen Haus, in dem jeder Raum in einer anderen Farbe gestrichen und mit sorgfältig ausgewählten Gegenständen ausgestattet war. Ich öffnete seinen Kleiderschrank. Er besaß nur zwei Anzüge, die aber sehr teuer aussahen. Seine Hemden hingen ordentlich auf Bügeln, und auf dem Boden des Schranks standen drei Paar Lederschuhe. Bei ihm ergaben sich die Dinge nicht bloß zufällig, dachte ich. Er wählte sie bewusst aus. Genau so hatte er mich ausgewählt, und er hatte mich vermisst, als ich fort war. Ich schauderte vor Freude.
    Kurz nach zehn Uhr kam er zurück. Ich wartete schon auf ihn, eingehüllt in warme Sachen, ein Notizbuch in der Tasche. Ich hatte auch das Foto von Jo eingepackt, weil ich hoffte, dass es vielleicht eine gute Gedächtnisstütze für die Leute sein würde.
    »Jos Eltern

Weitere Kostenlose Bücher