In seiner Hand
ließ sich darauf nieder.
Sie trug ein angenehmes, dezentes Parfüm, das mich an Frühlingsblumen erinnerte.
»Ich habe mit Jack Cross gesprochen«, erklärte sie. »Er hat mir Ihre Geschichte erzählt. Sie haben wirklich Schreckliches durchgemacht.«
»Ich bin einfach nur froh, dass ich davongekommen bin«, entgegnete ich. »Ich möchte nicht, dass Sie mich als Opfer sehen. Ich glaube, ich schlage mich recht wacker.
Ein paar Tage lang war ich tot. Das mag albern klingen, aber es stimmt. Obwohl ich nicht unter der Erde lag, sondern noch atmen und essen konnte, wusste ich, dass ich tot war. Ich gehörte nicht mehr in die Welt der anderen.
Wie soll man diese Welt nennen? Das Land der Lebenden? Wo sich die Menschen über Sex und Geld und unbezahlte Rechnungen Sorgen machen. Dass ich entkommen konnte, war hauptsächlich Glück, aber nun lebe ich wieder und betrachte jeden Tag als Geschenk, von dem ich nicht mehr geglaubt habe, dass es mir noch vergönnt sein würde.«
»Ja«, sagte Dr. Beddoes, wirkte aber nach wie vor besorgt.
»Hinzu kommt, dass ich nicht krank bin. Ich weiß, dass ich ein paar Blessuren davongetragen habe. Ich weiß auch, dass mit meinem Gedächtnis etwas nicht in Ordnung ist, weil mir jemand einen Schlag auf den Schädel verpasst hat, aber alles in allem fühle ich mich recht gut. Ein bisschen neben der Spur vielleicht. Ich muss allerdings zugeben, dass ich es mir ganz anders vorgestellt habe.«
»Was? Was haben Sie sich anders vorgestellt?«
»Meine Rückkehr in die Freiheit. Ich liege hier in diesem Bett, trage ein altes kratziges Nachthemd, das mir nicht gehört, bekomme schreckliches Essen vorgesetzt und werde ständig von Leuten besucht, die sich mit besorgter Miene an mein Bett setzen und mit sanfter Stimme auf mich einreden, als müssten sie mich davon abhalten, von einem Fensterbrett in die Tiefe zu springen. Dabei habe ich eigentlich nur den Wunsch, in meine Wohnung zurückzukehren und mein Leben weiterzuleben. Meine Freunde zu sehen. Wieder in einen Pub zu gehen oder in ein Café, in meinen eigenen Klamotten eine ganz normale Straße entlangzuschlendern, tanzen zu gehen. Am Sonntagvormittag im Bett zu liegen, während die Sonne durch das Fenster hereinfällt, zu essen, was und wann ich möchte, nachts unten am Fluß spazierenzugehen … Aber dieser Mann ist noch dort draußen, in der Welt, in der ich wieder leben möchte. Falls es Sie wirklich interessiert –
das ist es, was mir nicht aus dem Kopf geht. Der Gedanke, dass er immer noch dort draußen herumläuft.«
Einen Moment lang schwiegen wir beide. Mein Ausbruch war mir ein wenig peinlich, doch sie wirkte nicht allzu geschockt.
»Ihre Wohnung«, sagte sie. »Wo ist die?«
»Es ist nicht wirklich meine«, antwortete ich.
»Eigentlich gehört sie meinem … dem Typen, mit dem ich zusammenlebe. Terry.«
»Hat er Sie schon besucht?«
»Er ist nicht da. Ich habe versucht, ihn anzurufen, aber er ist wohl beruflich unterwegs – er reist viel.«
»Haben Sie schon mit jemand anderem gesprochen?
Familienmitgliedern oder Freunden?«
»Nein. Ich möchte erst mal hier raus, dann werde ich mich mit ihnen in Verbindung setzen.« Sie sah mich erstaunt an, so dass ich das Gefühl hatte, eine Erklärung abgeben zu müssen.
»Ich schiebe es wohl noch ein bisschen vor mir her, allen meine Geschichte erzählen zu müssen«, gab ich zu. »Ich weiß nicht, wo ich da anfangen soll. Ich weiß auch nicht, wie ich sie erzählen soll, denn sie ist ja noch nicht zu Ende. Ich hätte gern ein richtiges Ende, bevor ich mit dem Erzählen anfange, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Sie wollen, dass er vorher gefasst wird?«
»Ja.«
»Aber vielleicht könnten Sie in der Zwischenzeit mit mir darüber reden?«
»Vielleicht«, antwortete ich vorsichtig. »Mein größter Wunsch wäre allerdings, endlich hier rauszukommen. Das ist das Einzige, was mir am Herzen liegt. Dieses Krankenhaus kommt mir wie eine Zwischenstation auf meinem Weg aus dem Gefängnis in die Freiheit vor. Ich fühle mich hier wie in einem Niemandsland.«
Dr. Beddoes betrachtete mich einen Moment. »Ihnen ist etwas Schreckliches zugestoßen, Abbie. Sie werden in diesem Krankenhaus von mindestens fünf verschiedenen Kapazitäten betreut, von der Polizei ganz zu schweigen.
Es ist ein beträchtliches logistisches Problem, all diese Leute dazu zu bringen, miteinander zu kommunizieren.
Aber soweit ich es beurteilen kann, ist man sich darüber einig, dass Sie noch ein paar Tage
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