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In sueßer Ruh

In sueßer Ruh

Titel: In sueßer Ruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. E. Lawrence
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Medizinisch-Technischen Assistenten gemacht. Eine entsprechende Ausbildungseinrichtung in der Stadt zu finden war einfach gewesen, und die Arbeit fiel ihm leicht.
    Er geriet in Panik und kramte in seiner Tasche nach dem Laborfläschchen. Er zitterte vor Erleichterung, als sich seine Finger um das glatte Glas schlossen – es war noch da. Mit zusammengebissenen Zähnen ging er entschlossen weiter. Nein, er würde nicht in ihre Fußstapfen treten. Er würde nicht krank werden und dahinsiechen. Vielmehr würde er allein dieses zerstörerische Erbe überleben und als Sieger hervorgehen. Er war zu dem Schluss gelangt, dass es jetzt nicht mehr reichte, die Flüssigkeit oral einzunehmen. Er musste sie sich direkt in den eigenen Körper infundieren, um die heilende Wirkung zu maximieren. Speziell zu diesem Zweck hatte er in seinem Haus ein Zimmer hergerichtet, und es war fast fertig.
    Wieder hörte er den Schrei des Käuzchens, leise, wohltönend und melodisch: whohu-buhooh-whohu-buhooh . Davey antwortete mit einem gedämpften Pfeifen: whohu-buhooh-whohu-buhooh . Zu seiner Überraschung reagierte der Vogel darauf: whoot-whoot-whootoo. Vielleicht rief es nach seinem Gefährten, dachte er, und hatte ihn mit einem anderen Kauz verwechselt. Ein leises Lächeln spielte um seine schmalen Lippen, und er verspürte ein Kribbeln in den Eingeweiden. Wenn er einen Kauz davon überzeugen konnte, einer von ihnen zu sein, dachte er, dann konnte er jeden von absolut allem überzeugen.

KAPITEL 36
    Philadelphias Elite wusste, wie man feiert, dachte Kathy Azarian, nachdem Peter und sie sich ihren zweiten Drink genehmigt hatten. Der Lärm im Raum war mittlerweile derartig angeschwollen, dass sie sich ins Ohr brüllen mussten, um einander zu verstehen. Die Gesichter der Leute wurden zunehmend röter, die Stimmen lauter, und von überall im Raum ertönte aus beieinanderstehenden Grüppchen lautes Gelächter, während Kellner in weißen Oberhemden und schwarzen Westen Serviertabletts mit Horsd’œuvres zwischen ihnen herumbalancierten. Vielleicht war es der Rum, vielleicht aber auch die Stimmung, in die Regennächte sie immer versetzten – eine seltsame Mischung aus Erregung und Behagen –, jedenfalls fühlte sich Kathy leicht, gelöst und ein bisschen verrucht. Die Nacht schien voller Möglichkeiten, von denen Peter Sandstrom keineswegs die abwegigste war. Wenn sie sich vorbeugte, um ihm etwas zu sagen, ging ein köstlicher, frischer Duft von irgendwas – Sandelholz? Zeder? – von seinem anbetungswürdigen rechten Ohr aus.
    »Noch eine Runde?«, fragte er und griff nach ihrem Glas.
    »Ich bin schon betrunken!«, erklärte sie und pflückte sich ein Saté-Spießchen von einem Silbertablett, das ein vorbeikommender Kellner in die Höhe hielt.
    »Ich auch!«, schrie er. »Normalerweise trinke ich nicht so viel.«
    »Ich auch nicht!«, schrie sie zurück und zog mit den Zähnen ein Stückchen Huhn vom Spieß. Es war gut – dick überzogen mit salziger, scharfer Erdnusssoße. Sie hielt Peter den Spieß hin. »Auch ein Stück?«
    Er nickte und öffnete den Mund. Seine Lippen waren so perfekt und die Wirkung so unerwartet sexy, dass sie den Hühnchenspieß beinahe fallen ließ.
    »He, Vorsicht!«, rief er und griff hastig danach.
    »Entschuldigung«, schrie sie auf. »Ich sag’s Ihnen ja, ich bin besoffen.«
    »Nächstes Mal glaube ich Ihnen«, meinte er lächelnd.
    Nächstes Mal?, dachte sie und stellte beschämt fest, dass sie sehr hoffte, es werde ein nächstes Mal geben.
    »Haben Sie Ihren Vater gesehen?«, fragte Peter.
    Nach einem Rundblick entdeckte sie ihn am anderen Ende des Saals im Gespräch mit einer fülligen Blondine in einem schwarzen Cocktailkleid mit weißen Tupfen. Sie lächelte. Ihr Vater hatte schon immer eine Vorliebe für Frauen mit »ein bisschen Fleisch auf den Rippen« gehabt, wie er es in seiner typischen Offenherzigkeit ausdrückte. Antrias Azarian war in Forensikerkreisen für sein mangelndes Taktgefühl annähernd ebenso bekannt wie für seinen Intellekt – beide waren gigantisch.
    Er stand da und hörte der Blondine zu, das Gewicht auf eine Hüfte verlagert, das andere Bein leicht gebeugt und den Fuß eingedreht, als wäre er ein Kugelstoßer, der im Begriff steht, eine Kugel in die Luft zu wuchten. Diese Körperhaltung war Kathy so vertraut, dass sie ihn auch erkannt hätte, ohne sein Gesicht zu sehen. Er sah zu der Frau auf, und auf seinen scharfen, fein gezeichneten Gesichtszügen lag ein konzentrierter

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