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In sueßer Ruh

In sueßer Ruh

Titel: In sueßer Ruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. E. Lawrence
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weiter auf dem kürzesten Weg Richtung Bar. Ein Drink würde alles ein bisschen entschärfen und den Abend schneller herumgehen lassen. Sie versuchte, nicht länger daran zu denken, wie viel lieber sie jetzt, in eine Decke eingemummelt, in ihrem Sessel am Fenster säße und durch die Scheiben ihres hohen Erkerfensters in den Regen hinausschaute.
    Sie bestellte bei einem der schwarzweiß gekleideten Barkeeper einen Cuba Libre. Es war eine offene Bar, an der man umsonst bestellen konnte, so viel man mochte, und die drei hatten gut zu tun. Sie bezweifelte, dass sich auch nur ein einziger Antialkoholiker im Raum befand, obwohl es der Hälfte vermutlich gutgetan hätte, einer zu sein. Sie schnappte sich ihren Cuba Libre und drehte sich um – zu schnell, wie sich herausstellte. Ihr Drink kollidierte mit einem blonden Mann im Smoking und ergoss sich über dessen gesamte Jacke.
    »Oh, das tut mir ja so leid«, japste sie, verärgert über sich selbst. »Das habe ich nun davon, dass ich nicht aufpasse!«
    Für einen Augenblick huschten Überraschung und Unwille über das Gesicht des Mannes, dann lachte er. »Ist schon in Ordnung«, meinte er und zupfte eine Serviette von einem Tablett, mit der er sich abwischte. »So etwas kommt vor. Das resultiert daraus, dass wir Beruf und Vergnügen miteinander vermischen«, fügte er mit einem Grinsen hinzu. »Ich heiße Peter Sandstrom.« Er streckte die Hand aus.
    »Kathy Azarian«, erwiderte sie und schüttelte ihm die Hand. »Bitte entschuldigen Sie, ich –«
    »Schon vergessen. Sehen Sie? So gut wie neu!«, sagte er und deutete auf seine Smokingjacke.
    »Nun, sehr nett von Ihnen, aber wenn Sie möchten, komme ich gern für die Reinigung –«
    »Reinigung?«, schnaubte er. »Ich gehe nicht in Reinigungen. All diese giftigen Reinigungsmittel – das schadet der Umwelt. Könnten wir bitte über etwas anderes reden?« Er ließ den Blick über das Getümmel schweifen, als suche er jemanden. Das gab Kathy Gelegenheit, ihn genauer zu betrachten.
    Sie musste zugeben, dass er ein sehr attraktives Gesicht hatte – fast lächerlich attraktiv. Große, extrem blassblaue Augen, eingerahmt von hellbraunen Wimpern, und hohe Wangenknochen über einem unglaublich sinnlichen Mund. Ihr kam in den Sinn, sich in diesem Gesicht verlieren zu können.
    »Hat Ihnen jemals wer gesagt, dass Sie dem jungen Peter O’Toole ähnlich sehen?«, fragte sie.
    »Ständig«, erwiderte er lachend. »Zu schade, dass ich nicht Schauspieler bin.«
    »Sollten Sie vielleicht werden.«
    »Dafür bin ich zu schüchtern, und außerdem habe ich kein Talent.«
    »Na ja, Schüchternheit lässt sich heilen – aber das mit dem Talent vermasselt’s vermutlich«, sagte sie und nahm einen ordentlichen Schluck von dem ihr verbliebenen Cuba Libre.
    »Prost«, sagte er und hob sein Glas. »Ich schätze mal, nach ein paar von denen wäre ich durchaus bereit zu schauspielern, das Publikum müsste aber trotzdem noch besoffener sein als ich.«
    Sie lachte und zeigte dabei ihre himmlischen Zähne, die sie ihrer Familie mütterlicherseits zu verdanken hatte.
    »Ein paar Leute hier haben schon ganz ordentlich einen im Tee«, bemerkte sie und sah sich im Saal um, der sich seit ihrer Ankunft weiter gefüllt hatte. Auch der Lärmpegel des Stimmengeschnatters war gestiegen, sodass Peter sich zu Kathy beugen musste, um sie zu verstehen. Was keineswegs unangenehm war – als ihre Wange sein blondes Haar streifte, schlug ihr Herz ein wenig höher. Er war nicht besonders groß, vielleicht eins achtundsiebzig, dachte sie. Da sie selbst klein war, fuhr sie nicht gerade auf große Männer ab. Tatsächlich war Lee Campbell der größte Mann, mit dem sie je zusammen war. Bei dem Gedanken an ihn durchzuckten sie kurz Schuldgefühle. Doch die Nähe von Peter Sandstrom war verwirrend, und der Rum begann, alles möglich erscheinen zu lassen.
    »Strafverfolgung und Alkohol passen zusammen – haben sie vermutlich schon immer und werden sie immer«, sagte er.
    Hinter ihnen lachte jemand über den Witz – ein altmodisches Wiehern aus vollem Hals. Peter sah in die Richtung des Mannes und verdrehte die Augen. Es handelte sich um einen rundlichen Kerl mit Backenbart, der aussah, als wäre er einer politischen Karikatur aus dem 19. Jahrhundert entstiegen. Er hatte das Gesicht einer Daumier-Karikatur, in dessen Wulstlippen und Hängebacken die Spuren eines ausschweifenden Lebens eingebrannt waren.
    »Ich hoffe, der hat nachher einen Fahrer«, bemerkte

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