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In sueßer Ruh

In sueßer Ruh

Titel: In sueßer Ruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. E. Lawrence
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4-Sterne-Häuser mit mindestens einem Schwimmbad und nach Möglichkeit auch einem Whirlpool. Ihr Hotel dagegen erinnerte mit seiner Innenausstattung aus unbehandeltem Kiefernholz, den offenen Kaminen und Nesselvorhängen eher an das Great Northern Hotel aus Twin Peaks als an das Hyatt Regency. Vielleicht dachte Chuck, es wäre charmant, sie jedoch hielt es schlicht für zweitklassig. Als Trostpflaster überschüttete er sie mit kleinen Geschenken, Erinnerungen an die Reise, meist bloß Plunder, den sie später wegwarf. Aber den Spiegel hatte sie behalten. Es war nützlich, ihn in der Tasche zu haben. Die Zedernholzeinfassung war robust, und bislang hatte sie ihn weder verloren noch zerbrochen – das Schicksal der meisten ihrer Spiegel.
    Sie hielt den Spiegel hoch, um ihr Gesicht zu begutachten. Das Morgenlicht in ihrem Rücken war schmeichelhaft, so viel war ihr klar. Sie besaß eine frappierende Begabung, die Lichtverhältnisse in einem Raum einzuschätzen und zu wissen, ob sie gedämpft und schmeichelhaft oder hart und grell wirken würden. Dieses Büro war am Morgen gut, wenn das diffuse Nordlicht durchs eingestaubte Fenster fiel. Sie nahm einen Lippenstift und trug ihn mit gleichmäßigen, geübten Bewegungen auf. Anschließend kniff sie sich in die Wangen und tupfte sich noch ein wenig Lipgloss auf.
    Zufrieden steckte sie den Taschenspiegel wieder in die Handtasche und lehnte sich auf dem Bürosessel zurück. Wenn jetzt jemand hereinkam, sie war bereit.

KAPITEL 52
    Lee Campbell kam mitten im Schichtwechsel ins Revier. Im Vorraum tummelten sich Polizisten, die gerade kamen oder gingen. Von Sergeant Ruggles war nichts zu sehen, daher ging er nach hinten zu Chucks Büro. Als er auf sein Anklopfen keine Antwort bekam, öffnete er die Tür und ging hinein.
    Hinter dem Schreibtisch saß, als gehörte ihr hier alles, der letzte Mensch, den er sehen wollte.
    »Ja, hallo«, sagte Susan Morton honigsüß.
    »Hast du mich nicht klopfen hören?«, fragte er und versuchte nicht einmal, seine Verärgerung zu verhehlen.
    »Tut mir leid, Süßer, ich war am Telefonieren«, erwiderte sie und deutete auf ein rosa Handy unmittelbar vor ihr auf dem Schreibtisch. Er hatte nicht mal gewusst, dass man heute rosa Handys baute. »Aber komm ruhig rein«, schnurrte sie und erhob sich aus dem Sessel.
    Sie bewegte sich so verführerisch wie immer. Im College hatte man sie »der Vamp« genannt – wegen ihrer Promiskuität. Es gab allerdings auf dem ganzen Campus nicht einen Mann, der sie von der Bettkante geschubst hätte, wie Chuck sagen würde – der sich noch immer glücklich schätzte, bei ihr gelandet zu sein. Lee hielt ihn für verflucht. Was immer Susan Morton mit sich brachte, Glück jedenfalls nicht. Erregung vielleicht und Sex – oh, sie hatte gern viel davon. Ihre starke Libido war vermutlich das Einzige an ihr, das nicht aufgesetzt war.
    Sie kam um den Schreibtisch herum und stellte sich vor ihn. »Also, mein Hübscher, was führt dich denn her? Wieder mal eine eurer Besprechungen?«
    »Hast du Detective Krieger gesehen? Wir sollten uns hier treffen.«
    »Oh, die Amazone mit dem deutschen Akzent? Ja, die war hier, ist aber wieder weggegangen.« Susan stieß ein verächtliches Lachen aus, das ein wenig gezwungen klang, aber dennoch vermittelte, was sie meinte. »Die ist ja ein ziemliches Prachtstück.«
    »Stimmt«, meinte er im Versuch, sie nicht anzugreifen.
    »Sei nicht schockiert, wenn ich dir sage, dass Frauen sich gegenseitig viel brutaler beurteilen als Männer«, sagte sie und bückte sich, sodass ihre Brüste hochgedrückt wurden und ihr fast aus der teuren, tief ausgeschnittenen Bluse sprangen.
    »Nichts, was von dir kommt, könnte mich schockieren.«
    Sie lächelte. »Oh, gut gekontert. Schön zu wissen, dass dir dein Kampf gegen die Depression nicht völlig den Humor geraubt hat.«
    Lee spürte, wie ihm die Hitze in die Wangen stieg. Das musste man ihr lassen – sie wusste, wo man das Messer ansetzen musste. Ihre Bemerkung war restlos fehl am Platz, erreichte aber, was sie beabsichtigt hatte: ihm einen Warnschuss vor den Bug zu verpassen. Sie ließ ihn wissen, dass sie zuschlagen konnte – und es, falls erforderlich, auch tun würde, und zwar im Nu. Er musste sich ihr gegenüber behaupten, sonst würde sie ihn in Stücke reißen. In ihren Augen konnte er das raubtierhafte Glitzern sehen. Er musste ihr zeigen, dass er keine Angst vor ihr hatte. Das Problem war nur, dass es so war.
    Sie leckte sich die Lippen und

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