In sueßer Ruh
einen Jungen zu verprügeln, der nur halb so groß ist wie du.«
»Erstens war er nicht halb so groß wie ich, und zweitens ging’s dabei nicht um meine Eltern. Sondern darum, was irgendein Mistkerl meiner Schwester angetan hat«, sagte er und drehte sich mit dem Gesicht zur Wand.
Lees rechte Schläfe pulsierte schmerzhaft, aber er ignorierte es. »Wie du willst. Es war keine falsche platzierte Wut auf deine Eltern, der Junge hat verdient, was er gekriegt hat, und –«
»Oh, Mann, hören Sie doch um Himmels willen auf, mich mit Ihrem Psychoscheiß zu traktieren!«
»Schön. Warum hast du es getan?«
»Lassen Sie mich in Ruhe. Ich hab Sie nicht darum gebeten herzukommen.«
»Nichtsdestotrotz bin ich hier.«
François drehte sich auf den Rücken und starrte an die Decke. »Sollten Sie nicht dahinterher sein, den Perversling zu suchen, der meine Schwester umgebracht hat?«
»Wie kommst du darauf, dass ich das nicht bin?«
»Weil Sie hier sind, Sie blöder Arsch.«
»Weißt du was?«, sagte Lee. Die Kombination aus Kopfschmerzen und der Dickköpfigkeit dieses Jungen ließ ihn langsam wütend werden. »Wegen deiner Faxen sehen wir schlecht aus. Und das macht es uns schwerer, unseren Job zu erledigen.«
»Wieso zum Teufel sollte mich das kümmern?«, erwiderte er, aber Lee bemerkte, dass sein Ton nachgiebiger wurde. »Was meinen Sie damit, es hat Sie schlecht aussehen lassen?«
»Das Detail, das in die Presse geraten ist, über das Blut. Das sollte nicht an die Öffentlichkeit gelangen.«
François setzte sich auf, unwillkürlich interessiert. »Ohne Scheiß? Jemand aus dem Department hat es durchsickern lassen? Wer?«
»Ich weiß es nicht. Wir wissen nicht mal, ob es jemand aus dem Department war. Es gibt Dutzende von Möglichkeiten, wie so was nach draußen dringt. Aber das ist es, und dann gehst du hin und ziehst so ein Scheißding ab. Und das Einzige, was dabei herauskommt, ist, dass es alles noch verworrener macht.«
Der Junge steckte die Hände in die Taschen und versuchte, gleichgültig zu wirken, Lee sah ihm jedoch an, dass er sich schuldig fühlte. Der Schmerz in seiner Schläfe pendelte sich bei einem gleichförmigen Pochen ein.
»Na wenn schon, Mann. Passiert ist passiert. Ich kann’s nicht rückgängig machen. Wieso kommen Sie dann her und erzählen mir Scheiße?«
»Weil wir dich vielleicht brauchen können.«
François konnte seine Begeisterung nicht verbergen. Er stand auf, kam an die Gitterstäbe und packte sie wie ein Filmhäftling in einer Gefängnisszene. »Echt? Was kann ich tun?«
»Wir brauchen jemanden, der die Steampunk-Szene kennt und sich dort bewegen kann, ohne aufzufallen«, sagte Lee. Der Schmerz breitete sich jetzt in seinem gesamten Kopf aus.
»Sie brauchen nur ein Wort zu sagen – ich bin dabei!«
»So einfach ist das nicht. Dir steht jetzt erst mal eine Anklage wegen einer Ordnungswidrigkeit bevor. Du kannst von Glück sagen, dass sie keine wegen Körperverletzung erhoben haben.«
»Okay. Dann machen Sie, dass sie verschwindet.«
»So geht das nicht.« Poch, poch, poch …
»Und wie dann?«, fragte François.
»Du gestehst und machst einen Deal – gemeinnützige Arbeit, was immer sie dir aufbrummen. Du hast doch einen Anwalt, oder?«
François schnaubte. »Meine Eltern beschäftigen eine ganze Kanzlei für ihre kleinen afrikanischen Plüschtiere.«
»Das hast du jetzt nicht gesagt!«
»He, ich meine das nicht rassistisch, Mann. Ich wollte damit nur sagen, dass die Kinder Spielzeug für sie sind.«
»Würde ich gerne glauben.«
»Schauen Sie, ich will Ihnen helfen, wirklich. Ich rufe meinen Anwalt an und sage ihm, er soll mich hier so schnell wie möglich gegen Kaution rausholen, okay?«
»Okay. Und, François?«
»Was?«
»Du hältst dich aus allem raus, was Ärger geben könnte, oder ich schwöre dir, dass –«
»Mach ich – ich schwör’s. Ich will nur helfen, diesen Hurensohn zu schnappen.«
»Das wollen wir alle«, sagte Lee, während die Migräne weiter auf seinen Kopf einhämmerte.
KAPITEL 50
Lee und Laura befanden sich in einer Art großem Park in der Stadt – nicht dem Central Park oder irgendeinem anderen, den er kannte; es handelte sich eher um eine Art Mosaik aus bekannten Orten, wie sie in Träumen vorkommen. Es war Sommer, und sie spazierten in einem Wäldchen an einem Bach entlang, als sie zu einem Maschendrahtzaun kamen. Sie wollten schon kehrtmachen, als er eine Stelle entdeckte, an der jemand ein Loch in den Zaun gerissen hatte.
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