In sueßer Ruh
waren, schüttelte Butts den Kopf. »Mann, die bedeutet Ärger. Wenn ich Sie wäre, und die käme mir auf der Straße entgegen, würde ich auf die andere Seite wechseln. Die ist ein gefährliches Weib.«
Wieder einmal hatte Detective Butts den Nagel auf den Kopf getroffen.
KAPITEL 53
Wenig später trudelten die anderen ein, und da Chuck zu einem anderen Termin musste, übertrug er Lee die Leitung der Besprechung. Jetzt, wo der erste Jahrestag von 9/11 vorüber war, hatte sich die rastlose Boulevardpresse auf die Morde des Van-Cortlandt-Vampirs gestürzt und verbriet sie in schlüpfrigen Titelstorys. Sogar die Times beteiligte sich, wenn auch nicht in ganz so unverhohlen ausbeuterischer Manier. Das jüngste Opfer tauchte zwar auch auf ihrer Titelseite auf, war allerdings nicht der Aufmacher.
»Also«, sagte Lee, als sich alle im Besprechungsraum versammelt hatten, der für diesen Fall jetzt zu ihrem Hauptquartier geworden war, »haben wir irgendwelche objektiven Beweise vom Tatort in der Blutbank?«
Sergeant Quinlan schüttelte den Kopf. »Zahlreiche Fingerabdrücke, aber keiner davon ist registriert.« Er zog ein Taschentuch hervor und schnäuzte sich geräuschvoll. »Allergie«, erklärte er als Antwort auf Kriegers stechenden Blick.
»Wenn wir einen Verdächtigen festnehmen, können wir also Fingerabdrücke abgleichen«, sagte Butts. »Ansonsten sind wir am Arsch. Was haben Sie denn bisher erreicht, Doc?«
»Hier sind ein paar Dinge, die wir über unseren Unbekannten nach allem Ermessen als gegeben voraussetzen können«, antwortete Lee. Er nahm sich einen Filzstift und schrieb an die Tafel:
– extrem organisiert
– phantasiegetriebene Sexualmorde
– weiß, männlich, zwanzig bis Anfang dreißig
– wählt seine Opfer willkürlich, stellt ihnen möglicherweise auch nach
– gebildet
– auf Blut fixiert
– will Opfern anfangs nicht bedrohlich vorkommen
– charmant/gut gekleidet/wortgewandt
– medizinische Grundkenntnisse – medizinischer Beruf?
– differenzierte forensische Kenntnisse
– verfolgt wahrscheinlich die Ermittlungen
»Mann!«, sagte Quinlan und steckte sich einen Zahnstocher zwischen die Lippen. »Das ist ja ’ne ganze Menge. Sind Sie sich bei allem sicher?«
»Die zuverlässigsten Schlussfolgerungen sind die, dass er ein männlicher Weißer ist«, sagte Lee, »vermutlich in den Zwanzigern, gebildet, ziemlich hoher sozioökonomischer Status –«
»Warten Sie mal ’nen Moment«, meinte Quinlan und unterbrach das Herumkauen auf dem Zahnstocher. »Woher wissen Sie denn das alles?«
»Nun, es ist unübersehbar, dass er planvoll vorgeht. Die ganze Eigenart seiner Taten erfordert einen hohen Grad an –«
»Ja, ja, das hab ich kapiert«, meinte der Sergeant. »Aber woher wissen Sie, welchen sozioökonomischen –«
»Weil er seinen Opfern anscheinend nicht bedrohlich erscheint. Und da er nicht aus ihrem Umfeld stammt, ist es logisch, daraus zu schließen, dass sie ihn als einen von ihnen wahrnehmen, zumindest am Anfang. Die beiden ersten Opfer waren gebildet und kamen aus wohlhabenden Familien. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat er deshalb ungefähr das gleiche Profil wie sie.«
»Ich verstehe, dass er männlich ist«, sagte Quinlan, »aber wieso weiß?«
»Diese Typen neigen nicht dazu, rassenübergreifend zu töten«, erklärte Butts. »Die nehmen sozusagen ihre eigene Gattung ins Visier.«
»Aber es gibt immer auch Ausnahmen«, wandte Krieger ein.
»Natürlich«, stimmte Lee zu. »Die überwältigende Mehrheit tötet jedoch innerhalb der eigenen Ethnie. Deshalb können wir, wie ich sagte, nach allem Ermessen als gegeben voraussetzen, dass er weiß ist.«
Quinlan grunzte und schob den Zahnstocher auf die andere Mundseite. Lee hoffte, der Sergeant würde nicht zum Problem werden.
»Außerdem können wir einigermaßen sicher davon ausgehen, dass er über ein Transportmittel verfügt – ein Auto, vielleicht sogar etwas Größeres wie einen Transporter.«
»Genau«, stimmte Butts zu. »Er transportiert die Opfer, nachdem er sie umgebracht hat.«
Elena Krieger zeigte auf die roten Stecknadelköpfe, die die Fundorte der Leichen markierten. »Letzte Nacht habe ich diese Örtlichkeiten zusammen mit unseren anderen Daten durch das Criminal-Geographic-Targeting -Programm laufen lassen –«
»Sie meinen das, das dieser Kriminalbeamte aus Vancouver entwickelt hat?«, fragte Butts. »Hab gehört, das soll wirklich cool sein.« Er wirkte unwillkürlich beeindruckt.
»Ja.
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