in tausend Noeten
und Doris fuchtelte herum und rief: „Abominable – fürchterlich!“ (das war Mamsells Lieblingswort) und zeterte aus Leibeskräften.
Sofort verstanden die Zuschauer die Anspielung. Doris spielte Mamsell! Das Kichern nahm kein Ende und Mamsell selber klatschte vor Vergnügen in die Hände. Doris verbeugte sich bei diesem Beifall, aber sie ließ sich nicht stören ...
Der Schweinehirt ging auf keinen anderen Vorschlag ein, auch als die Prinzessin wieder eine Hofdame hinüberjagte: „Zehn Küsse von der Prinzessin und die anderen neunzig von ihren Hofdamen.“ Zum Schluss war sie einverstanden. Der Schweinehirt, der ja eigentlich ein Prinz war, kam herüber. Die Hofdamen stellten sich um das Paar herum und die Küsserei und das Zählen gingen wieder los.
„Da aber“, so las Hilda, „hatte der alte König entdeckt, dass beim Schweinekoben etwas los war, und er ging hin, um nachzusehen.“
Also schlich der König – Carlotta – in seinem langen roten Mantel in Filzpantoffeln zu den Hofdamen, die gerade zählten: quatre-vingt-deux – zweiundachtzig, stieß sie beiseite und fing an zu fluchen. „Parbleu!“, schrie er, zog einen Pantoffel vom Fuß und schlug drauflos, immer abwechselnd auf seine Tochter und auf den Schweinehirten. Dann zeigte er mit ausgestrecktem Arm zur Tür: „Quittez mon château – verlasst mein Schloss“, und ging wieder zurück. Die Hofdamen liefen kreischend auseinander. Doris jammerte besonders herzzerreißend und die Prinzessin weinte furchtbar.
„Hätte ich bloß den Prinzen geheiratet!“, klagte sie.
Da kam der Prinz zurück mit sauberem Gesicht und in schönen Kleidern. Er hielt ihr eine gewaltige Standpauke, weil sie ihn als ehrlichen Prinzen verachtet und seine Geschenke verschmäht hatte. „Aber von einem Schweinehirten lässt du dich küssen“, donnerte er. „Doch nun mag ich dich auch nicht mehr.“ Dann ging er.
Die Prinzessin weinte noch ein bisschen in ihr Spitzentuch, dann lief auch sie hinaus.
Und die Spieluhr sang irgendwo: „Ach, du lieber Augustin, alles ist hin.“
So ging die traurige Geschichte zu Ende. Aber richtig traurig war sie gar nicht. Erstens, weil der Prinzessin recht geschehen war, und zweitens, weil die Vierte so lustig gespielt hatte, dass alle einen Riesenspaß hatten.
„Magnifique, superbe – großartig“, schrie Mamsell ein übers andere Mal und sah ihre Kolleginnen stolz an: So gut konnten ihre Schülerinnen Französisch.
An diesem Tag söhnte sie sich auch mit Andrea aus. Wie reizend hatte das Mädchen gespielt! Und ihre französische Aussprache war tadellos. Gutmütig und liebenswert, wie Mamsell war, sagte sie das Andrea auch und nannte sie diesmal: „Chère fille.“
Nach dem Tee kam der Abschluss: die Fünfte tanzte. Zuerst eine Quadrille. Sie bewegten sich mit einer Anmut, als kämen sie direkt von der Ballettschule. Alle hatten lange Röcke aus Krepppapier über ihren Kleidern, die bei jedem Schritt raschelten. So eine Quadrille ist gar nicht einfach mit ihren verschiedenen Figuren. Die Turnlehrerin staunte: Wer hatte das den Mädchen nur beigebracht?
Gegen Ende der Vorstellung tanzten dann noch fünf Schülerinnen einen Cancan! Er wurde zwar nicht ganz so perfekt wie in Operetten oder Filmen, dennoch wirbelten sie in tollem Tempo herum und versanken zum Schluss im Spagat am Boden.
Wunderbar!
Nach dem Beifall fragte Frau Theobald als Erste, was alle anderen auch fragen wollten: „Wer hat euch das beigebracht?“
„Andrea“, riefen die Tänzerinnen. Die Direktorin nickte. „Ich dachte es mir.“
Wieso?, überlegten die anderen. Wie konnte Andrea den Mädchen solch schwierige Tänze beibringen? Sie war ja sogar im Sport eine Niete. Beim Abendessen wurde immer noch herumgerätselt.
Andrea grinste. Sie hatte über ihre Prinzessinnenrolle viel Lob gehört. Wegen der Tanzerei sollten die anderen ruhig noch ein bisschen zappeln!
Ein Junge in Mädchenkleidern
Bei allem Trubel dieses Tages hatte niemand bemerkt, wie aufgeregt eine Schülerin aus der dritten Klasse war: Steffi Wagner. Ein nettes, fröhliches Mädchen, das immer von seinen vier Brüdern erzählte. Sie stammte von einem Gut und war eine richtige Tiernärrin. Sie konnte an keiner Katze vorbeigehen, ohne sie zu streicheln. Jeden Hund begrüßte sie, und die wildesten Kläffer schmiegten sich schwanzwedelnd an sie. Für Pferde hatte sie eine besondere Vorliebe und sie hatte immer ein paar Leckerbissen bei sich, falls sie irgendwo einmal an einer
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