Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

In Todesangst

Titel: In Todesangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
Vom Netzwerk:
wieder hinter seinen Schreibtisch, blieb aber stehen. »Der Typ, der sie mir vermittelt hatte, brachte sie jeden Tag her und holte sie abends wieder ab. Ich habe dann einen Dienstplan gemacht, um zu besprechen, wann sie freihätten, aber der Typ meinte bloß, Scheiß drauf, die kannst du auch sieben Tage die Woche schuften lassen, und Doppelschichten sind auch kein Problem. Ich habe ihm gesagt, das wäre gegen das Gesetz, aber er zuckte nur mit den Schultern – ich bräuchte mir keine Sorgen zu machen, für die armen Schlucker würde das Gesetz eh nicht gelten.«
    »An wen ging der Lohn? Direkt an die Arbeitskräfte oder an den Vermittler?«
    Einen Moment lang senkte Roy Chilton den Blick, als würde er sich schämen. »An ihn«, sagte er dann. »Ich bin davon ausgegangen, dass er das Geld weiterverteilt.«
    »Und? Glauben Sie, das hat er gemacht?«
    Roy Chilton zuckte mit den Schultern. »Wie gesagt, er brachte sie zu Schichtbeginn her und holte sie anschließend wieder ab. Außer meinem Restaurant und dem Innenraum seines Transporters bekamen die armen Teufel nichts zu sehen. Die hatten Augen wie Tote. Da war kein Fünkchen Leben mehr drin – so, als hätten sie alle Hoffnung aufgegeben.«
    Er schluckte, sah zu Boden und holte tief Luft. »Eine Zeit lang war auch ein junges Mädchen dabei, eine Chinesin, glaube ich. Wirklich hübsch, jedenfalls wäre sie es gewesen, wenn sie nur mal den Anflug eines Lächelns zustande gebracht hätte. Sie arbeitete in der Küche, und ich bat einen von den Kellnern, sie hier zu mir ins Büro zu bringen. Einer der Spüler war ausgefallen, und das Mädchen schuftete sich halb zu Tode – na ja, und ich wollte mich bei ihr bedanken, auch wenn ich nicht wusste, ob sie mich überhaupt verstehen würde. Tja, und als sie vor mir steht und ich ihr sage, wie sehr ich ihren Einsatz zu schätzen weiß, obwohl ich genau sehe, dass sie kein Wort kapiert, kommt sie plötzlich um meinen Schreibtisch herum und kniet sich vor mich hin, als hätte ich von ihr verlangt, sie solle mir …« Er schüttelte den Kopf. »Sie haben keine Ahnung, wie peinlich mir das war. Aber anscheinend ging sie davon aus, dass es einfach zu ihrem Job gehört.«
    Ich schwieg.
    »Nun ja, ich habe sie ein bisschen im Auge behalten. Und eines Nachts, na ja, es war schon zwei Uhr morgens, steigt sie gerade mit den anderen in seinen Transporter, als ich bemerke, dass sie ihre Jacke vergessen hat. Ich laufe ihr also hinterher, und als ich an den Wagen komme, sehe ich, wie sich der Dreckskerl gerade einen von ihr blasen lässt.« Er seufzte. »Sie hatte keine Wahl. Das arme Ding musste alles tun, was er von ihr verlangte. Und wissen Sie auch, warum?«
    »Sagen Sie’s mir.«
    »Weil sie sein Besitz war«, sagte Roy Chilton. »Sie gehörte ihm, so wie all die anderen auch. Sie waren seine Sklaven. Er konnte mit ihnen machen, was er wollte.«
    »Menschenhandel«, überlegte ich laut.
    »Hmm?«
    »Menschenhandel. Man lockt Leute ins Land, lässt sie Tausende von Dollars zahlen für das Versprechen, am amerikanischen Traum teilhaben zu dürfen, und wenn sie erst mal hier sind, gehören sie einem. Als wären sie Leibeigene.«
    »Ich wollte jedenfalls nichts damit zu tun haben«, sagte Roy. »Und das habe ich ihm am nächsten Tag auch gesagt. Da beschäftige ich doch lieber legales Personal, auch wenn es ein paar Dollar mehr kostet.«
    »Wahrscheinlich hat er seine Sklaven postwendend ins nächste Restaurant gekarrt«, sagte ich. »Oder sie gleich auf den Strich geschickt.« Ich wandte mich zu Arnie. »Aber warum haben Sie mich hierher gerufen? Was hat diese Geschichte mit Syds Verschwinden zu tun?«
    »Das weiß ich auch nicht«, sagte Arnie. »Aber als ich neulich bei Ihnen war, haben Sie einen Namen erwähnt. Und an den habe ich mich sofort wieder erinnert.«
    Stirnrunzelnd musterte ich ihn. Ich hatte keine Ahnung, worauf er hinauswollte.
    »Tripe«, sagte er. »Randall Tripe. Sie haben ihn nur einmal erwähnt, aber den Namen habe ich mir gemerkt.«
    Ich sah Roy an. Er nickte. »Ja, das war der Typ, der mir die Illegalen vermittelt hat. Und als ich Arnie davon erzählt habe …«
    »… da hat’s sofort bei mir geklingelt«, vollendete Arnie den Satz.
    »Er ist übrigens tot«, sagte Roy. »Vor ein paar Wochen habe ich in der Zeitung davon gelesen. Jemand hat ihm eine Kugel verpasst und seine Leiche in einen Müllcontainer geworfen. Ich weiß, man soll nicht schlecht über Tote reden, aber genau da gehörte er auch hin, wenn Sie

Weitere Kostenlose Bücher