Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

In Todesangst

Titel: In Todesangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
Vom Netzwerk:
einen Blick aufs Display geworfen zu haben.
    »Ich will doch nur für dich da sein«, sagte sie dann etwa.
    Ich konnte mich nur schwer überwinden, mich von ihr trösten zu lassen.
    »Meine Anwesenheit hat dich ja auch nicht gestört, wenn du mit mir ins Bett wolltest«, hatte Kate schließlich gesagt, »aber wenn’s drauf ankommt, kannst du mich plötzlich nicht mehr gebrauchen.«
    Und nun hatte ich sie wieder an der Strippe, während ich hier in der Küche stand, inmitten der Gegenstände, die ich gerade von der Anrichte gefegt hatte, und an nichts anderes denken konnte als an die Blutspuren in Syds Wagen.
    »He, bist du noch dran?«, fragte Kate.
    »Ja«, antwortete ich.
    »Du hörst dich schrecklich an.«
    »War auch ein langer Tag.«
    »Bist du allein?«
    »Ja.«
    Ich war nicht nur allein, ich fühlte mich auch so. Mutterseelenallein.
    »Ich weiß, dir gehen gerade tausend andere Dinge im Kopf herum …«
    »Ja«, sagte ich.
    Einen Augenblick lang schwiegen wir beide.
    »Hast du schon was gegessen?«, fragte sie dann.
    Ich musste kurz überlegen. Hatte ich nicht eben noch in den Kühlschrank gesehen? Was wiederum hieß, dass ich offenbar noch nichts zu Abend gegessen hatte.
    »Nein.«
    »Wenn du willst, hol ich uns was vom Chinesen. Ich habe auch ein paar neue DVDs.«
    Ich dachte nach. »Okay«, sagte ich schließlich. Ich hatte Hunger. Ich war mit den Nerven am Ende. Und ich hatte dringend menschlichen Zuspruch nötig.
    »Ich brauche aber noch eine Stunde«, sagte ich. »Nein, anderthalb.«
    »Kein Problem. Bis nachher.«
    Ich legte auf und starrte aus dem Küchenfenster. Es dämmerte, aber es würde noch ein wenig dauern, bevor es völlig dunkel war.
    Ich verließ das Haus, stieg in den Wagen und fuhr nach Derby, kreuzte langsam durch die Straßen, checkte Parkplätze, spähte durch die Fenster der Fast-Food-Restaurants und hielt Ausschau nach Syd.
    Aber ich hatte kein Glück.
    Insgeheim wusste ich natürlich genau, wie gering die Chance war, dass ich meine Tochter plötzlich irgendwo entdecken würde; es war höchst unwahrscheinlich, dass sie mir ins Auge fiel, während sie gerade einen Abendspaziergang machte oder bei McDonald’s einen Hamburger futterte.
    Trotzdem. Ich konnte einfach nicht untätig herumsitzen.
    Ich war bereits auf dem Rückweg, als mein Blick an einem Straßenschild hängen blieb.
    Coulter Drive.
    Ich bremste und bog nach rechts ab, ohne weiter zu überlegen, fuhr an den Bordstein und zog die Fotokopie heraus, die ich von der Arbeit mitgenommen hatte.
    Ich entfaltete das Blatt Papier und betrachtete den kopierten Führerschein. Richard Fletcher, Coulter Drive 72. Die nächste Hausnummer war 22, dann kam 24. Ich ging von der Bremse und fuhr im Schritttempo weiter.
    Fletchers Haus lag im Schatten hoher Bäume. Es war ein schlichter einstöckiger Bau mit vier Fenstern und einer Tür in der Mitte. Der Rasen vor dem Haus sah ziemlich ungepflegt aus, braun und von Unkraut überwuchert. An der Außenwand der Garage standen abgenutzte Autoreifen, ein paar rostige Fahrräder, ein alter Rasenmäher und anderer Schrott. In der Einfahrt waren ein gelber Pinto sowie ein Ford-Pick-up geparkt, der definitiv auch schon bessere Tage gesehen hatte. Die Motorhaube stand offen; im Halbdunkel erkannte ich die schemenhaften Umrisse von jemandem, der offenbar gerade etwas reparierte.
    Richard Fletcher, schätzte ich. Der Mistkerl.
    Ich hielt an. An einem anderen Tag hätte ich womöglich einen kühlen Kopf bewahrt und wäre einfach weitergefahren. Na schön, hätte ich mir gesagt, der Typ hat uns verarscht und eine Fuhre Mist transportiert, statt eine Probefahrt zu machen. Und die Lehre daraus gezogen, künftig keinen Kunden mehr allein fahren zu lassen.
    Doch ich war schlicht zu mies drauf, um rational denken zu können.
    Ich stieg aus und marschierte die Einfahrt hinauf. Plötzlich kam ein Hund über den Rasen auf mich zugelaufen, aber es war kein Wachhund, sondern ein Mischling undefinierbarer Herkunft, altersschwach und unübersehbar hinkend, wobei sich sein müder Schwanz von einer Seite zur anderen bewegte wie ein kaputtes Metronom.
    Ich kümmerte mich nicht weiter um ihn. Als ich um den Wagen herumkam, sah ich, dass es tatsächlich Richard Fletcher war. Er stand da, ohne irgendwelche Werkzeuge in Händen, und starrte auf den Motorblock wie ein vom Glück verlassener Hellseher auf den Grund einer Kaffeetasse.
    »He«, rief ich, während meine Wut mit jeder Sekunde wuchs.
    Er sah auf. Seine Augen

Weitere Kostenlose Bücher