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In Todesangst

Titel: In Todesangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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Walgreens rückwärts aus einer Parklücke gefahren und dabei – ich stand in der gegenüberliegenden Reihe und hatte noch den Wetterbericht zu Ende hören wollen – gegen meine Stoßstange geprallt.
    Ich schreckte auf und hatte bereits ein paar unfreundliche Sprüche auf den Lippen. Sind Sie blind? Oder nicht ganz dicht? Haben Sie Ihren Lappen bei eBay ersteigert?
    Doch als sie aus ihrem Wagen stieg, sagte ich bloß: »Alles okay mit Ihnen?«
    Was sich wohl dem Umstand verdankte, dass sie ausgesprochen attraktiv war. Vielleicht keine perfekte Supermodel-Schönheit, aber trotzdem überaus anziehend. Sie hatte kurzes braunes Haar, braune Augen und eine Figur, die an Marilyn Monroe erinnerte, nur nicht mit deren Mädchenstimme. Sie sprach mit sanftem, kehligem Timbre.
    »O Gott«, sagte sie. »Das war meine Schuld. Haben Sie sich verletzt?«
    »Nein, alles in Ordnung«, erwiderte ich. »Lassen Sie uns mal nach Ihrem Auto sehen.«
    Aber da war nichts, und meine Stoßstange hatte auch nur einen winzigen Kratzer abbekommen. Doch auch wenn die Sache nicht der Rede wert war, sagte ich nicht nein, als sie mir ihre Telefonnummer geben wollte.
    »Nicht, dass sich hinterher ein Schleudertrauma herausstellt«, sagte sie. Es klang fast so, als würde sie darauf hoffen.
    Am nächsten Tag rief ich sie an.
    »O nein«, sagte sie. »Jetzt sagen Sie bloß nicht, Sie haben eine Gehirnerschütterung.«
    »Hätten Sie vielleicht Lust auf einen Drink?«
    Bei einem Bier erzählte sie mir, dass sie im ersten Moment befürchtet hätte, ich würde eine Wirbelsäulenverletzung vortäuschen und sie auf eine Million Dollar Schmerzensgeld verklagen. Es gäbe ja genug Leute, die so etwas tun würden, so sei eben die Welt, in der wir leben.
    Schon das hätte mir eine Warnung sein müssen.
    Aber ich dachte nicht weiter darüber nach, da es ebenso schnell wie heftig zwischen uns funkte.
    Nach den Drinks gingen wir zusammen essen, und anschließend fuhren wir zu mir. Fünf Minuten nachdem ich die Haustür hinter uns geschlossen hatte, lagen wir auch schon im Bett. Ich hatte seit mehreren Monaten keinen Sex mehr gehabt und ließ das womöglich deutlicher durchblicken, als mir lieb war. Es wurde eine lange, lange Nacht.
    Anfangs war alles fast perfekt. Kate war meine Traumfrau.
    Sie war warmherzig, einfühlsam und eine Granate im Bett. Sie war süchtig nach Fernsehserien auf DVD. Da ich häufig auch abends noch arbeitete, hatte ich jede Menge verpasst, unter anderem auch diese Serie, in der sich die Überlebenden eines Flugzeugabsturzes am Strand einer verlassen wirkenden Insel wiederfinden und sich schließlich herausstellt, dass sie Teil irgendeines undurchschaubaren Plans sind. Mir erschloss sich der Reiz des Ganzen nicht so recht, aber
    Kate war geradezu besessen von der Story, davon, wie das Leben aller von unsichtbaren Mächten manipuliert wurde. »Genauso ist es doch«, sagte sie. »Immer gibt es Leute im Hintergrund, die die Strippen ziehen.«
    Auch das hätte mich nachdenklich machen sollen.
    Aber es machte Spaß mit ihr – was ich schon seit längerem nicht mehr erlebt hatte. Schwierig wurde es erst, als sie begann, sich mir gegenüber zu öffnen.
    Sie war seit drei Jahren geschieden. Ihr Exmann war Pilot und hatte sie nach Strich und Faden hintergangen. Bei der Scheidung war sie übers Ohr gehauen worden; sie glaubte, dass ihr Anwalt mit ihrem Exmann gemeinsame Sache gemacht hatte, auch wenn sie es nicht beweisen konnte. Irgendein mieser Deal, den die beiden hinter verschlossenen Türen eingefädelt hatten – ansonsten würde ihr jetzt garantiert das Haus des Dreckskerls gehören. So aber wohnte er noch immer in seiner schicken Villa, während sie in einem beschissenen Apartment in Devon hausen musste, einen Häuserblock entfernt von der nächsten Bar, in einer Gegend, wo einem freitagabends die Besoffenen an den Wagen pinkelten.
    Okay.
    Außerdem wurde sie im Job total unfair behandelt. Eigentlich hätte sie Chefeinkäuferin für das Jazzies werden müssen, das Modehaus in New Haven, für das sie arbeitete – aber dann hatten sie ihr eine gewisse Edith vorgezogen, Edith, das dürfe ja wohl nicht wahr sein, allein der Name würde einem doch schon sagen, dass die Kuh keine Ahnung von Mode habe.
    Wie auch immer, sie wusste genau, dass ihre Kollegen ihr nur Knüppel zwischen die Beine warfen und sie nicht leiden konnten – wahrscheinlich, weil sie neidisch auf sie waren. Sie sah eben einfach zu gut aus. Sie schüchterte die anderen ein.

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