In Todesangst
Egal, sollten sie sich doch ins Knie ficken, verdammt noch mal.
Anfangs hatte ich nichts dagegen, wenn sie mich in der
Firma anrief, um sich mit mir zu verabreden oder einen Ausflug zu planen. Aber manchmal geht das eben nicht. Wenn man gerade versucht, einen Wagen für 3 5 000 Dollar an den Mann zu bringen, kann man nicht lange am Telefon flirten, so nett das auch sein mag.
Kate reagierte ein wenig eingeschnappt.
Je öfter sie mich bei der Arbeit, zu Hause oder auf dem Handy anrief, desto seltener rief ich zurück. »Lass doch mal mich anrufen«, schlug ich ihr vor.
»Aber genau darum habe ich dich doch gebeten, als ich dir auf den Anrufbeantworter gesprochen habe«, sagte sie.
Natürlich raspelten wir nicht nur Süßholz am Telefon. Mindestens ebenso oft rief sie an, um mir zu erzählen, was für ein Schwein ihr Exmann doch war, oder dass ihr Vermieter sich in ihrer Abwesenheit in ihre Wohnung geschlichen und in ihrer Unterwäsche gekramt habe. Nein, es sei nichts durcheinander, aber sie hätte da so ein Gefühl.
Eines Abends ließ ich mich von ihr überreden, sie und Sydney miteinander bekannt zu machen.
»Ich möchte sie endlich mal kennenlernen«, sagte sie. »Wie lange willst du mich noch auf die Folter spannen?«
Ich hatte keine Eile gehabt, die beiden einander vorzustellen. Schließlich bestand keine Notwendigkeit, dass Syd jede Frau kennenlernte, mit der ich eine Affäre hatte – ganz abgesehen davon, dass es nicht sehr viele gewesen waren. Aber da Kate und ich mehr und mehr auf eine feste Beziehung zusteuerten, stimmte ich zu.
Am Sonntag darauf gingen wir zusammen essen, in einem Fischrestaurant am Hafen, das Syd ausgesucht hatte und das den auf der Speisekarte angepriesenen »frischen Fang« meines Wissens nach von einer Küste bezog, die einen halben Planeten entfernt lag.
Kate glaubte, dass alles blendend gelaufen war. »Wir haben uns doch echt gut verstanden«, sagte sie.
Syd war da ein wenig anderer Meinung.
»Ich fand sie nett«, sagte sie später, als wir wieder unter uns waren.
»Du verschweigst mir doch etwas«, sagte ich.
»Nein, wirklich.«
»Rück schon raus damit«, sagte ich.
»Na ja«, sagte Syd. »Die hat ’ne Meise, so viel ist mal klar.«
»Wie kommst du denn darauf?«, fragte ich.
»Hmmm, die hat doch geredet wie ein Wasserfall. Und die ganze Zeit bloß davon, wie sie mit der Person nicht klarkommt und warum sie mit dem und dem irgendwelche Probleme hat. Alle sind Schweine, ziehen hinter ihrem Rücken über sie her, und selbst der Typ von der Reinigung versucht sie zu bescheißen, wenn sie ihre Bettwäsche abholt. Gegen die hat sich ja wohl die ganze Welt verschworen.«
»Okay«, sagte ich. »Kapiert.«
»Na ja, ich verstehe dich trotzdem«, sagte Syd.
»Was meinst du damit?«
»Sie ist echt heiß. Das ist ’ne Bettgeschichte, stimmt’s?«
»Ah …«
»Komm schon, mir kannst du nichts vormachen. Hätte ich eine Figur wie sie, würde ich von morgens bis abends angebaggert.« Sie hielt einen Moment inne. »Und eigentlich ist sie ja echt nett.«
»Aber auch ein bisschen meschugge«, sagte ich.
»Ja«, erwiderte Sydney. »Auch Verrückte können nett sein, oder?«
»Hat Kate dich eigentlich irgendwas gefragt?«
Syd überlegte. »Als du auf der Toilette warst, wollte sie wissen, wie ich ihre Ohrringe finde.«
Syd hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Kate war komplett auf sich selbst fixiert. Sie glaubte, der Rest der Welt sei gegen sie. Sie witterte Verschwörungen, wo es gar keine gab. Sie zog falsche Schlüsse. Sie machte pausenlos Druck, wenn ich es etwas langsamer angehen wollte.
Und obwohl Kate erst so sicher gewesen war, sich mit Syd bestens verstanden zu haben, rief sie mich am Tag darauf bei der Arbeit an und sagte: »Sydney hasst mich.«
»Das ist doch absurd«, gab ich zurück. »Sie findet dich sehr nett.«
»Das hat sie gesagt? Wirklich?«
»Absolut«, sagte ich, ohne zu erwähnen, was Syd sonst noch von sich gegeben hatte.
»Du lügst. Ich weiß genau, dass das nicht die Wahrheit ist.«
»Kate, ich muss Schluss machen. Hier wartet ein Kunde.«
Trotzdem traf ich mich gelegentlich noch mit ihr. Ich bekam Gewissensbisse, weil ich das Gefühl hatte, sie zu benutzen, und erfand schließlich Ausreden, wenn sie mit mir ins Bett wollte.
Nun ja, nicht sehr oft.
Nach Syds Verschwinden hatte ich mich auf ihre Nachrichten überhaupt nicht mehr gemeldet. Ich hatte weiß Gott Wichtigeres im Sinn. Aber ab und zu ging ich doch ans Telefon, ohne vorher
Weitere Kostenlose Bücher