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In Todesangst

Titel: In Todesangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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denn nur zum Mittagessen vorbei? Oder suchen sie nach einer Bleibe?«
    »Das auch, aber wir haben so gut wie keinen Platz. Außerdem sind wir kein Asyl für Jugendliche, und wenn wir jemanden aufnehmen, dann höchstens für ein paar Tage. Manche Kids kommen bei Freunden unter, andere schlafen im Auto, aber manchen bleibt leider nichts anderes übrig, als die Nacht auf einer Parkbank zu verbringen.«
    Ich versuchte die Bilder zu verdrängen, die vor meinem inneren Auge aufflammten.
    »Wie haben Sie herausgefunden, dass wir nach Syd suchen?«, fragte ich.
    »Habe ich Ihnen das nicht geschrieben? Ich google regelmäßig Websites, auf denen Eltern nach ihren vermissten Kindern suchen.«
    »Haben Sie schon mal jemanden wiedererkannt?«
    »Ja, einmal«, erwiderte sie stolz. »Einen jungen Mann namens Trent. Er kam aus der Nähe von El Paso, und seine Eltern waren außer sich vor Sorge. Der Junge wohnte vorübergehend bei uns, und ich war mir ganz sicher, dass er es war. Erst habe ich überlegt, ob ich mit ihm reden sollte, aber dann bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich ihn damit vielleicht nur verschreckt hätte. Nun ja, am Ende habe ich mich mit seinen Eltern in Verbindung gesetzt, und die haben postwendend den nächsten Flug gebucht.«
    Ja. Genau das würde ich auch tun, sobald ich aufgelegt hatte.
    »Sagen Sie Syd nicht, dass Sie mit mir gesprochen haben, falls sie wieder auftauchen sollte«, sagte ich. »Ich weiß nicht, warum sie verschwunden ist. Die ganze Zeit zerbreche ich mir den Kopf, ob ich einen Fehler gemacht, sie irgendwie verletzt habe, aber ich komme einfach nicht drauf, was zwischen uns vorgefallen sein könnte.«
    »Das sagen viele Eltern, aber manchmal wollen sie sich die Antwort nur nicht eingestehen«, meinte Yolanda Mills. »Verstehen Sie, was ich meine?«
    »Ja, schon.« So dankbar ich ihr war, mich auf Syds Spur geführt zu haben, wollte ich ganz bestimmt nicht mit ihr über Schuldfragen diskutieren.
    »Nun ja«, sagte sie. »Das Mädchen sah Ihrer Tochter sehr ähnlich, aber hundertprozentig sicher bin ich mir nicht. Vielleicht habe ich mich ja geirrt.«
    »Vielleicht aber auch nicht«, gab ich zurück.
    »Am besten, ich schicke Ihnen ein Foto«, sagte sie.
    Einen Moment lang fühlte ich mich, als würde ich gleich vom Stuhl kippen. »Was?«, sagte ich. »Sie haben ein Foto? Von Sydney? In Seattle?«
    »Besonders gut ist es aber nicht«, erwiderte sie. »Ich habe zwar ein Handy mit Kamera, aber mit Technik kenne ich mich nicht sonderlich aus. Na ja, ich habe damit rumgespielt und aufs Geratewohl ein paar Fotos geschossen, nur um mal auszuprobieren, wie es funktioniert, und dabei ist Ihre Tochter zufällig ins Bild geraten. Und natürlich auch ein paar andere Kids, aber auf einem ist sie allein zu sehen.«
    Ein Foto. Damit würden wir felsenfeste Gewissheit haben.
    »Können Sie mir das Foto per Mail schicken?«, fragte ich.
    »Tut mir leid, ich habe keine Ahnung, wie man eine Bilddatei hochlädt. Aber mein Mann kennt sich mit so was aus.
    Er hat heute Nachtschicht, aber sobald er morgen früh nach Hause kommt, gebe ich ihm Bescheid.«
    Ich wusste jetzt schon, dass mir die Zeit bis zum nächsten Morgen wie eine Ewigkeit vorkommen würde.
    Kate berührte mich leicht an der Schulter. Als ich zu ihr aufsah, rieb sie Daumen und Zeigefinger aneinander.
    »Hören Sie«, sagte ich zu Yolanda Mills, »kann ich mich irgendwie erkenntlich zeigen? Sie haben doch bestimmt mit einer Belohnung gerechnet, oder?«
    »Einer Belohnung?«, gab sie zurück und klang auf einmal zutiefst gekränkt. »Das wäre ja wohl nicht sehr christlich, oder?«
     
     
    NEUN
     
    Als ich aufgelegt hatte, fühlte ich mich, als hätte ich zwanzig Tassen Kaffee intravenös verpasst bekommen. Ich zitterte am ganzen Körper und überlegte fieberhaft, was ich als Nächstes unternehmen sollte.
    »Ich muss jetzt sofort Susanne anrufen«, überlegte ich laut. »Nein, besser nicht. Erst mal warte ich ab, bis das Foto kommt. Aber ich muss Detective Jennings informieren, damit sie ihre Kollegen in Seattle auf die Sache ansetzt. Am besten wäre es, sie würden die Fahndung nach Syd rausgeben und …«
    »Tim«, unterbrach mich Kate. »Jetzt warte doch mal. Du hast …«
    »Ich muss einen Flug buchen«, sagte ich. »Vielleicht geht heute Abend noch eine Maschine.« Ich wirbelte zum Computer herum und hackte in die Tasten.
    »Eins nach dem anderen«, sagte Kate. »Du weißt doch nicht mal sicher, ob es wirklich Syd war. Darüber kann nur

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