In Todesangst
plötzlich hereinschneien könnten. Anscheinend wussten sie, dass sie jede Menge Zeit hatten.«
Ich schwieg.
»Wer wusste, dass Sie nach Seattle fliegen?«, fragte sie.
Wem hatte ich davon erzählt? Kate. Laura Cantrell, meiner Chefin. Andy Hertz. Und Susanne, die garantiert auch Bob und Evan eingeweiht hatte.
Und dann war da natürlich noch jemand, den ich um ein Haar vergessen hätte. Yolanda Mills. Deren Informationen mich überhaupt erst nach Seattle gelockt hatten.
»Sieht so aus, als wäre ich hereingelegt worden«, sagte ich leise.
Kip Jennings runzelte die Stirn. »Wieso?«
»Langsam wird mir alles klar. Diese Frau, die mich wegen meiner Tochter angerufen hat. Sie wusste, dass ich in Seattle sein würde.«
»Können Sie mal kurz mein Gedächtnis auffrischen?«
Ich erzählte ihr in aller Kürze, wie ich vergebens versucht hatte, Yolanda Mills zu finden – eine Frau, die mutmaßlich einen falschen Namen benutzt und mich anscheinend von einem Wegwerf-Handy aus angerufen hatte.
»Von hier aus gesehen liegt Seattle am Arsch der Welt«, sagte Kip Jennings. »Und sobald Sie auf dem Weg zum Flughafen waren, wussten die Täter, dass sie mindestens achtundvierzig Stunden Zeit hatten, um sich seelenruhig in Ihrem Haus umsehen zu können.«
»Ich verstehe das nicht«, sagte ich. »Diese Yolanda Mills hat mir ein Foto von Syd geschickt. Und ich werde doch wohl noch meine eigene Tochter erkennen.«
»Kann ich das Bild mal sehen?«
»Ich hab’s auf meinem Computer«, sagte ich.
Ich führte Kip Jennings in mein Büro, stieg über die auf dem Boden liegenden Bücher und Akten und begab mich an den Computer. Tower und Monitor waren zwar verschoben worden, aber sonst schien alles so weit intakt. Ich startete den Rechner, öffnete das E-Mail-Programm und klickte die Mail mit Syds Foto an.
Detective Jennings nahm das Bild in Augenschein. »Ich habe schon bessere Schnappschüsse gesehen«, sagte sie. »Von ihrem Gesicht kann man ja fast nichts erkennen.«
»Hier, sehen Sie das?« Ich wies auf das korallenrote Tuch, das Syd um das Hals trug. »Syd besitzt genau dasselbe Halstuch. Die Frisur, die Nase – das ist sie, darauf würde ich mein Leben wetten.«
Kip Jennings beugte sich ein wenig näher zum Monitor. Irgendetwas schien ihr ins Auge gefallen zu sein. »Bin gleich wieder da«, sagte sie.
Ich blieb sitzen und checkte erst einmal den Besucherzähler. In den vergangenen achtundvierzig Stunden war kaum jemand auf der Website gewesen. Und die Mails, die ich bekommen hatte, erwiesen sich allesamt als Werbemüll.
Dann war Kip Jennings wieder zurück. Sie stand im Türrahmen und hielt etwas in der Hand. Einen roten, fast durchsichtigen Fetzen Stoff.
Ein Halstuch.
»Die Farbe habe ich sofort wiedererkannt«, sagte sie. »Das Tuch lag im Zimmer Ihrer Tochter. Zwischen den anderen Klamotten auf dem Boden.«
Ich stand auf, griff nach dem Tuch und hielt es so vorsichtig in den Fingern, als könne es sich von einem Moment auf den anderen in Luft auflösen.
»Meinten Sie dieses Halstuch?«, fragte sie.
Ich nickte zögernd. »Ja, das ist es.«
»Tja, wenn Ihre Tochter also genau dieses Halstuch noch vor ein paar Tagen in Seattle getragen haben soll – wie kommt es dann hierher?«
Das war eine wirklich gute Frage.
Allerdings blieb mir nicht viel Zeit, lange darüber nachzudenken, da im selben Moment einer der uniformierten Cops in der Tür stand und Kip Jennings ernst ansah.
»Ich glaube, wir wissen jetzt, wonach die Kerle gesucht haben«, sagte er.
FÜNFZEHN
»Was?«, sagte ich.
Der Cop schwieg. Er führte Jennings in mein Schlafzimmer, während ich den beiden hinterhertrabte. Auf dem Bett lag einer der Kissenbezüge; das Kissen selbst war aufgeschlitzt worden. Daneben lag ein durchsichtiger Plastikbeutel, in dem sich ein weißes Pulver befand.
»Merkwürdige Wölbung unter dem Kissenbezug«, sagte er. »Da habe ich mal nachgesehen.«
Detective Jennings nahm eine Ecke des Beutels vorsichtig zwischen Daumen und Zeigefinger und hielt ihn hoch.
»Tja, was haben wir denn da?«, sagte sie.
»Das sieht ja aus wie …« Ich brach mitten im Satz ab.
»Wie was?«, hakte Kip Jennings nach.
»Wie Kokain«, sagte ich.
»Falls das stimmen sollte – wie kommt es dann in Ihr Kopfkissen?«, fragte sie.
»Keine Ahnung«, antwortete ich.
»Haben Sie vielleicht irgendeine Vermutung?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein.« Ich überlegte einen Moment. »Doch.«
»Und?«
»Jemand hat es dort versteckt«, sagte
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