In Todesangst
…«
»Wachen Sie endlich auf, Mr Blake! Stellen Sie sich darauf ein, dass Ihre Tochter möglicherweise großen Mist gebaut hat. Sie hat Ihnen erzählt, sie würde in dem Hotel arbeiten. Was für Lügen hat sie Ihnen noch aufgetischt?«
Ich wandte mich abrupt um und verließ das Zimmer.
»Verschwinden Sie«, herrschte ich den Cop an, der unten an der Treppe stand.
»Was?«
»Raus!«, knurrte ich. »Verschwinden Sie schleunigst aus meinem Haus!«
»Sie gehen nirgendwo hin, Talbot«, erklang Kip Jennings’ Stimme hinter mir. »Mr Blake, Sie haben meinen Männern überhaupt nichts zu sagen! Das hier ist ein Tatort.«
»Ich muss hier jetzt erst mal aufräumen«, schnauzte ich sie an.
»Ganz bestimmt nicht«, gab sie zurück. »Sie machen hier gar nichts, solange ich nicht mein Okay gegeben habe. Und die Nacht können Sie hier auch nicht verbringen.« »Sie werden mich nicht aus meinem Haus vertreiben!«
»Und ob. Hier muss zunächst mal die Spurensicherung ran, und das gilt ebenso für Ihr Schlafzimmer – speziell nach dem Fund, den wir dort gemacht haben.«
Frustriert schüttelte ich den Kopf. »Ich dachte, Sie wollten mir helfen.«
»Am besten kann ich Ihnen helfen, indem ich kläre, was hier passiert ist«, erwiderte sie. »Schon deshalb, weil ich bis jetzt das Gefühl hatte, dass Sie mit offenen Karten spielen. Aber langsam weiß ich selbst nicht mehr, was ich glauben soll. Und deshalb würde ich Ihnen dringend empfehlen, sich einen Anwalt zu nehmen.«
»Wollen Sie mich wegen Drogenbesitzes verhaften? Das meinen Sie nicht ernst, oder?«
Sie musterte mich ungerührt. »Ich habe Ihnen lediglich einen guten Rat gegeben.«
Ich hielt ihrem Blick stand.
»Ist Ihnen mal der Gedanke gekommen«, fuhr sie fort, »dass Ihre Tochter Sie nach Seattle gelockt haben könnte?«
»Quatsch«, sagte ich. »Die Frau, mit der ich gesprochen habe, war nicht meine Tochter.«
Kip Jennings zuckte mit den Schultern. »Es könnte ja eine Freundin von ihr gewesen sein.«
Das war so ziemlich das Lächerlichste, was sie bislang von sich gegeben hatte.
Doch statt ihr genau das unter die Nase zu reiben, hob ich beschwichtigend die Hände, weil mir noch etwas anderes eingefallen war.
»Da wäre noch was, worüber Sie Bescheid wissen sollten«, sagte ich.
Sie sah mich fragend an.
»Meine Exfrau glaubt, dass ihr Haus beobachtet wird.«
Jennings runzelte die Stirn. »Wieso?«
»Ihr ist mehrmals ein Van in der Nähe ihres Hauses aufgefallen. Hinter der Scheibe hat sie einen roten Punkt gesehen, so als ob jemand rauchen würde.« Ich überlegte einen Moment. »Wird sie vielleicht von der Polizei observiert?«
»Nicht, dass ich wüsste. Haben Sie das Kennzeichen?«
»Nein.«
»Fragen Sie Ihre Exfrau danach«, sagte Kip Jennings. »Ich kann die Nummer checken lassen und einen Streifenwagen vorbeischicken.«
Ich murmelte ein »Danke«, während mein Blick plötzlich auf die offene Küchenschublade fiel, aus der das Geld verschwunden war.
Im selben Moment fiel mir Evan ein. Es wurde Zeit, mal ein paar offene Worte mit ihm zu wechseln.
***
Die Fahrt zu Bob’s Motors erwies sich als länger als gewohnt, weil eine Fahrspur wegen Bauarbeiten gesperrt worden war. Ich ließ einen Toyota Sienna vor mir einfädeln; der Fahrer bedankte sich, indem er mir durch die getönte Scheibe zuwinkte.
Im selben Augenblick sah ich den Schriftzug »Shaw Flowers« auf der Hecktür des Lieferwagens und erinnerte mich an das kurze Gespräch, das ich mit der alten Mrs Shaw vor ihrem Blumenladen geführt hatte. Ich ging davon aus, dass Ian hinter dem Steuer saß, der junge Mann, der bei Mrs Shaw gewesen war.
Er hatte Syds Foto so gut wie keine Beachtung geschenkt. Ich beschloss kurzerhand, ihm eine zweite Chance zu geben; vielleicht hatte er ja die Güte, sich das Foto diesmal ein bisschen genauer anzusehen.
Ian bog rechts ab. Ich folgte ihm in eine Villengegend. Das Laub der alten Bäume wölbte sich wie ein Baldachin über der Straße. Der Lieferwagen hielt vor einem ehrwürdigen Haus im Kolonialstil. Ich fuhr weiter und wendete sechs Häuser weiter in einer Einfahrt.
Ian stieg aus. Zwei weiße Kabel hingen von seinen Ohren und verschwanden in seiner Hemdtasche; anscheinend hörte er Musik auf einem iPod. Er ging zur Beifahrertür, öffnete sie, förderte einen großen Blumenstrauß aus dem Wageninneren zutage und marschierte zum Portal des Hauses.
Ich fuhr langsam heran, hielt gegenüber dem Lieferwagen und stieg aus. Ian läutete.
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