In Todesangst
sich tatsächlich um Kokain und nicht um einen Beutel Backpulver handeln sollte.«
»Wieso?«
»Sie haben die Polizei doch selbst gerufen. Wegen des Einbruchs. Und der oder die Täter hatten auch die Gelegenheit, Drogen in Ihrem Schlafzimmer zu verstecken. Eine Anklage wegen Drogenbesitzes würde jeder Richter sofort abschmettern.«
»Sind Sie da sicher?«
»Sicher kann man sich nie sein, aber an Ihrer Stelle würde ich mir keine grauen Haare wachsen lassen. Und was diese Polizistin angeht – mit der wechseln Sie am besten kein Wort mehr.«
»Aber sie hilft mir doch bei der Suche nach meiner Tochter.«
Chatsworth schwieg einen Moment. »Dann nehmen Sie sich einfach in Acht«, sagte er. »Sobald die Rede auf den Fund in Ihrem Haus kommt, sagen Sie nichts mehr ohne juristischen Beistand. Die können Ihnen sowieso nichts beweisen.«
»Wieso beweisen?«, sagte ich. »Sie tun ja gerade so, als hätte ich das Zeug selbst in meinem Kissen versteckt.«
»He, habe ich Sie danach gefragt?«
***
Die Reisetasche, die ich mit nach Seattle genommen hatte, befand sich wieder in meinem Kofferraum. Kip Jennings hatte mir ja bereits gesagt, dass ich die Nacht nicht in meinem Haus verbringen konnte.
Ich ging ins Einkaufszentrum und kaufte mir ein Stück Peperoni-Pizza am Stand. Dann streifte ich umher, ließ den Blick über die Menge schweifen, immer auf der Suche nach Syd.
Vergebens.
Schließlich kehrte ich zum Wagen zurück und fuhr zum Just Inn Time. Carter und Owen standen hinter der Rezeption – die beiden Männer, die auch an jenem Abend Dienst gehabt hatten, als Syd nicht nach Hause gekommen war. Ich trat an den Empfangstresen. »Ein Zimmer, bitte«, sagte ich.
SECHZEHN
Das Zimmer sah genau so aus, wie ich es mir vorgestellt hatte.
Ein unpersönlicher, anonymer Raum. Eine schmucklose blaue Überdecke auf dem Doppelbett, das die Mitte des Zimmers einnahm. Lampen mit fleckig weißen Schirmen auf dem Nachttisch. Die Wände waren beige, ebenso wie das Badezimmer, die Handtücher, der Korridor und auch sonst so gut wie alles in diesem Billighotel.
Trotzdem, das Zimmer war sauber und aufgeräumt. Im Bad gab es Seife, Shampoo und einen Föhn. Im Wandschrank befand sich einer dieser Mini-Tresore mit Vier-Zahlen-Code, in dem man problemlos einen Pass, eine Videokamera und ein paar Tausend Dollar in unmarkierten Scheinen unterbringen konnte.
Neumodische Plasmabildschirm-Fernseher an der Wand gab es noch nicht. Doch obwohl der klobige Apparat auf der Kommode schon gut zwei Jahrzehnte auf dem Buckel zu haben schien, konnte man sich gegen ein paar Dollar Videofilme ansehen – darunter Titel wie »Ich bin so geil – hol ihn jetzt raus«, wenn einem der Sinn danach stand.
Ich zappte durch die Kanäle und blieb schließlich bei einer Reality-Show mit irgendeiner Familie hängen, die dumm genug war, sich vor Millionen von Zuschauern zum Affen zu machen, während ich aus meinem Fenster im ersten Stock sah. Ich weiß nicht genau, was ich erwartete. Vielleicht glaubte ich insgeheim, dass mir ein Geistesblitz verraten würde, wohin Syd verschwunden war, wenn ich nur lange genug auf das nicht weit entfernte Howard Johnson’s und den Verkehr auf der I-95 starrte.
Aber so war es natürlich nicht.
Während ich die zahllosen Fahrzeuge auf der Interstate beobachtete, musste ich unwillkürlich daran denken, dass man innerhalb weniger Stunden jeden noch so entlegenen Ort von New England erreichen konnte. Im Handumdrehen war man in Providence oder Maine, Vermont oder New Hampshire, und in knapp drei Stunden oben in Albany. Manhattan lag gerade mal den berühmten Steinwurf entfernt, und wer sich dort versteckte, war garantiert nicht mehr so schnell zu finden.
Und all das waren Orte, an die man problemlos innerhalb eines Tages gelangen konnte. Jetzt, Wochen später, mochte Syd genauso gut am Ende der Welt sein.
Immer vorausgesetzt, dass sie noch lebte.
Ich hatte diesen Gedanken immer wieder zu verdrängen versucht. Solange es keinen endgültigen Beweis gab, dass Syd etwas zugestoßen war, redete ich mir unablässig ein, dass es ihr gut ging.
Trotzdem musste ich immer wieder an die Blutspuren in ihrem Wagen denken. Und dazu drehten sich die immer gleichen Fragen in meinem Kopf. Wie in einer Endlosschleife – ein Hintergrundgeräusch, das nicht verstummen wollte.
Wo bist du?
Geht es dir gut?
Was ist passiert?
Warum bist du verschwunden?
Was hat dir Angst gemacht?
Bist du weggelaufen, weil ich dich nach der
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