In tödlicher Gefahr
nicht sehr schlau war, Arturo. Sie haben Ihre Fingerabdrücke in McGregors Zimmer hinterlassen. Was Ihr Messer angeht, da habe ich noch keine Nachricht von der forensischen Abteilung. Aber ich bin sicher, die Klinge passt zu den Wunden, die Ihr alter Kumpel abgekriegt hat. Glauben Sie jetzt immer noch, dass wir Ihnen nichts beweisen können?“
Da Arturo schwieg, fügte John beiläufig hinzu: „Wir sind bereit, einen Deal mit Ihnen zu machen, Garcia. Wollen Sie ihn hören?“
„Wir würden den Anklagepunkt tätlicher Angriff fallen lassen und in der Mordanklage auf Notwehr plädieren. Dann müssen Sie uns allerdings sagen, wo Ben DiAngelo ist.“
„Seid ihr Typen taub? Ich weiß nich’, wo Ben DiAngelo is’. Ich hab’ ihn nich’!“
Ein Klopfen an der Tür unterbrach sie. Der Officer, der am nächsten stand, öffnete, und ein Mann, der aussah, als hätte er gerade die Schulzeit hinter sich gebracht, stand im Türrahmen. Er trug einen grauen Nadelstreifenanzug, hielt eine nagelneue Aktentasche in der Hand und wirkte so nervös, als sei dieser Fall eine Nummer zu groß für ihn. Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte man über das Mienenspiel beim Anblick seines Klienten lachen müssen. John fürchtete, der Anwalt werde jeden Moment die Flucht ergreifen. Es sprach jedoch für ihn, dass er nach einem zittrigen Lächeln die Höhle des Löwen betrat.
Hinter ihm kam ein zweiter junger Mann herein, den John sofort als den Ricky-Martin-Verschnitt erkannte, dem er in Enriques Garage begegnet war.
„Wer sind Sie?“ fragte er, obwohl er es ahnte.
„Tony Garcia. Ich bin Arturos Bruder.“
„Und ich bin Jason Hardell“, sagte der Mann in dem scharfen Anzug. „Von der Pflichtverteidigung.“
John stellte die anderen vor, und man gab sich die Hände. Hardell warf einen nervösen Blick auf Arturo. „Ist das mein Klient?“
„Wie er leibt und lebt“, erwiderte Tina und informierte ihn über die diversen Anklagepunkte. Als sie das Kidnapping erwähnte, traten dem jungen Anwalt fast die Augen aus dem Kopf. Er wandte sich an Tony Garcia. „Kidnapping?“ Er schluckte. „Das haben Sie mir nicht gesagt. Wen soll er entführt haben?“
„Ben DiAngelo“, antwortete Tina. „Und da uns die Zeit davonläuft, schlage ich vor, Sie besprechen sich mit Ihrem Klienten und überzeugen ihn, uns zu sagen, wo der Junge ist. Wir haben ihm einen Deal angeboten, der meiner Meinung nach fair ist. Aber Ihr Klient stellt sich stur, und unsere Geduld hat Grenzen.“
Hardell warf noch einen flüchtigen Blick auf seinen Klienten und schien kurz vor einer Ohnmacht zu stehen. John hielt unerfahrene Anwälte gewöhnlich für ein Himmelsgeschenk, doch diesmal nicht. Hardell fehlte möglicherweise die Entschiedenheit, Arturo zur Kooperation zu bewegen. Er sah zu Tony und fragte sich, ob der nicht mehr Glück bei seinem Bruder haben würde.
„Kann ich bitte allein mit meinem Klienten reden?“ fragte Hardell.
„Sicher.“ John, Tina und Tony warteten draußen, bis der Anwalt zehn Minuten später wieder die Tür öffnete. Er sah blass aus, wirkte aber gefasst.
„Mein Klient kann das Angebot nicht annehmen.“ Hardell blickte von John zu Tina. „Ich bin sicher, Sie wissen, warum.“
John hatte eine Vermutung, schüttelte aber trotzdem den Kopf.
„Arturo hat Ben DiAngelo nicht entführt. Er hat es zwar erwogen, weil er es für die einzige Möglichkeit hielt, an Miss DiAngelos achtundvierzigtausend Dollar zu gelangen, aber da waren zu viele Menschen an der Schule, zu viel Chaos. Er konnte die Sache nicht durchziehen.“
John sah, dass Tina die Schultern ein wenig sinken ließ. „Sie glauben ihm?“ fragte sie.
Der junge Mann hatte wieder ein wenig Selbstsicherheit gewonnen. „Ja. Und ich glaube ihm auch, dass er Ian McGregor in Notwehr umgebracht hat.“
„Dann gibt er es also zu.“
„Mein Klient möchte kooperieren, Detective.“
„Ist er bereit, eine Aussage zu machen?“
„Ja.“
„Dann los.“
Als John an seinen Schreibtisch zurückkehrte, waren Abbie und Claudia noch da. Abbie stand auf, sagte diesmal jedoch nichts. Sie sah ihn nur erwartungsvoll an, als sei er der Überbringer guter Nachrichten.
Er sagte nur ungern, was er wusste. „Arturo hat Ben nicht entführt.“
„Was soll das heißen? Natürlich hat er das! Du hast doch gehört, was Ken gesagt hat. Arturo war an der Schule.“
„Er hat’s nicht getan, Abbie. Da war zu viel Betrieb an der Schule, und er bekam es mit der Angst zu tun.
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