In tödlicher Gefahr
Haftbefehl für Arturo zu holen, als Johns Telefon klingelte. Es war Manuel.
John war zwar nicht abergläubisch, trotzdem kreuzte er zwei Finger, dass Manuel gute Nachrichten für ihn hatte. Er konnte etwas Glück gebrauchen. „Was gibt’s, mein Freund?“
„Ich habe eine Kundin, Henrietta, die sich gern mit ihren Eroberungen brüstet; nicht bei mir, sondern gegenüber Coletta.“
„Das ist Ihre Nichte, oder?“
„Sí
. Sie hilft uns im Laden, wenn Freddy in der Schule ist. Seit der vierten Klasse ist sie mit Henrietta befreundet. Die kam heute und erzählte Coletta von dem Mann, den sie vor ein paar Tagen kennen gelernt hatte. Gewöhnlich belausche ich solche Gespräche nicht, aber als ich Henrietta den Mann beschreiben hörte, wurde ich aufmerksam.“
„Was haben Sie gehört?“
„Ich glaube, ihr neuer Freund ist der Mann, den Sie suchen, John. Sie nannte ihn nicht Arturo. Sie sagte, er heiße Mike, aber wie sie ihn beschrieb – kräftig, mit Glatze und Tattoos von Meerjungfrauen und Drachen auf den Armen –, wusste ich, dass es derselbe Mann sein musste.“
John zog sich einen gelben Notizblock heran. „Wo finde ich Henrietta?“
Manuel kicherte. „Sie ist Bartänzerin und arbeitet nachts, deshalb ist sie tagsüber zu Hause und schläft sich aus. Wie ich gehört habe, verbringt ihr neuer Freund auch eine Menge Zeit dort.“
„Haben Sie die Adresse?“
„Ja … Olden Avenue 113.“
„Danke, Manuel.“ John riss das Blatt ab, auf dem er die Adresse notiert hatte. „Ich schulde Ihnen etwas.“
Er hatte gerade aufgelegt, als Tina wieder hereinkam. „Der Richter war nicht da, aber sein Sekretär sagte, er komme innerhalb der nächsten Stunde zurück. Ich …“
„Keine Zeit für einen Haftbefehl.“ John erzählte ihr von Manuels Anruf und gab ihr Henriettas Adresse. „Wir müssen uns beeilen.“ Er schnappte sich sein Jackett von der Sessellehne und zog es über. „Wir fordern von unterwegs Unterstützung an. Denn ich glaube kaum, dass unser Freund freiwillig mitkommt.“
Leise näherten sie sich mit gezogenen Waffen der Tür – John, Tina und drei Uniformierte. Sie klopften zwei Mal und riefen: „Polizei! Öffnen Sie!“ Als sich nichts regte, traten sie die Tür ein.
Das Mädchen saß auf dem Sofa und zog rasch einen Bademantel um sich. Der Mann, nackt bis auf ein schwarzes T-Shirt, hatte ein Messer in der Hand und war in Angriffsstellung.
John sah ihn drohend an. „Denken Sie nicht mal dran, Romeo, oder Sie sind tot.“
Arturo sah die fünf auf ihn gerichteten Waffen. Er schien nicht gerade Intelligenz zu versprühen, aber ein völliger Dummkopf war er auch nicht. Rasch schätzte er die Situation ein, legte das Messer weg und hob die Hände. Er hatte die Prozedur oft genug mitgemacht. „Ist es okay, wenn ich mir die Hose anziehe?“ fragte er sarkastisch und grinste Tina anzüglich an. „Vorausgesetzt, unser Ramboküken hier hat noch nicht genug gesehen.“
Tina zuckte desinteressiert die Achseln. „Da gibt’s nicht viel zu sehen, Kurzer.“ Als Arturos Grinsen schwand, wandte sie sich an einen der Beamten. „Werfen Sie ihm die Hose zu, Joey, aber durchsuchen Sie sie erst. Und geben Sie das Messer in einen Beweisbeutel.“
Das Mädchen, eine Brünette mit Puppengesicht, kauerte in der Sofaecke und verfolgte ängstlich das Geschehen. „Was ist los?“ fragte sie mit dünner Stimme. „Warum mussten Sie meine Tür aufbrechen? Wie soll ich das meinem Vermieter erklären?“
„Wir erklären das“, erwiderte Tina. „Sind Sie Henrietta?“
Das Mädchen nickte.
„Sie müssen mit uns kommen.“
„Warum? Ich habe nichts getan.“
„Das ist reine Routine. Es dauert nicht lange.“
Auf der Fahrt zum Revier beschwerte sich Arturo lautstark, verlangte, einen Anwalt zu sprechen, und drohte ihnen, sie wegen unbegründeter Festnahme zu verklagen. Er brüllte immer noch Obszönitäten, als sie ihn in den Verhörraum schoben.
„Lassen wir ihn eine Weile schmoren“, sagte John zu Tina. „Ich muss Abbie anrufen. Hoffentlich kann sie ihn bei der Gegenüberstellung als den Mann identifizieren, der sie am See angegriffen hat. Sobald wir ihm den Mord anhängen können, wird er wegen der anderen Sache mit uns kooperieren.“
Abbie kam eine Viertelstunde später mit geröteten Wangen. „Hat er geredet? Hat er gesagt, wo Ben ist?“
„Noch nicht. Ich möchte sicher sein, dass er der Mann ist, der dich angegriffen hat. Dann haben wir einen Hebel, mit dem wir ansetzen
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