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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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derFlur von Barbentane, wo das Gesindel sich seit einem Monat eingenistet hatte und nun raubte, mordete und alle nur möglichen Gewalttaten beging. Vor einer knappen Stunde, so erklärte er, habe einer dieser Lumpen ihm von der Schloßpforte her zugerufen, er solle tausend Dukaten zu einem Haus am Fuße des Mont de la Mère bringen, sonst werde man ihm bei Sonnenuntergang den abgeschnittenen Kopf von Monsieur de Montcalm vor die Zugbrücke legen.
    »Und du hast das Lösegeld bei dir, Antonio?« fragte Pater Anselme.
    »Hab ich.«
    »Und willst es zum Mont de la Mère bringen?«
    »Ja.«
    »Irrsinn! Die liegen irgendwo auf der Lauer. Sobald du auftauchst, töten sie dich, nehmen dir das Geld ab und töten auch deine Herrschaft. Steig ab, Antonio, und komm zu uns ins Unterholz.«
    Gesagt, getan. Wir banden die Reittiere an schmiegsame Zweige und setzten uns in einer kleinen Lichtung auf die Baumstümpfe, die die Holzfäller hinterlassen hatten.
    »Hinterhalt gegen Hinterhalt«, sagte Pater Anselme und stützte die Ellbogen auf die Knie und das Kinn in die breiten Handflächen. In dieser Haltung harrte er still und stumm.
    »Worauf warten wir?« fragte ich nach einer Weile.
    »Mein Sohn«, sagte der Pater, ohne sich zu rühren, »wer jagt, muß Geduld beweisen. Diese Schurken haben einen Späher postiert, und der hat Antonio das Schloß verlassen sehen. Also lauern sie jetzt am Wege, der zum Mont de la Mère führt. Mögen sie ein bißchen lauern. Nichts entnervt den Spanner mehr als langes Warten. Wir werden sie bei Sonnenuntergang überrumpeln.«
    Doch für uns war das Warten nicht minder lang, mochten wir uns auch ein Weilchen an Mirouls Künsten erheitern, der sein Messer gegen einen Stamm warf; im Messerwerfen war er Meister. Dann wurde er es leid, setzte sich wieder hin, und da niemandem nach Plaudern zumute war, hockten wir stumm da, den Blick gesenkt, weil es uns peinlich war, im Gesicht des anderen die Erregung zu lesen: uns stand ein harter Kampf bevor, bei dem uns Verwundung drohte oder gar der Tod.
    Ich für mein Teil bat den Herrgott, mir, falls ich noch am selbigenTag vor ihm erscheinen müßte, meine Sünden zu vergeben, die ich meinem sündigen Fleisch verdankte, denn von anderen Untaten fühlte ich mich nicht befleckt. Nach dem Beten konnte ich freilich nicht umhin, an all die Frauen zu denken, die mir so gütig gewesen.
    So schwelgte ich in meinen lieblichsten Erinnerungen. Gewiß hätten die Mönche meine Andacht sehr irdisch gefunden, mir aber war sie tröstliche Stärkung. Da mußte ich plötzlich an Fontanette denken, und diese Wunde war noch so frisch, daß ich mich von meinem Baumstumpf erhob, den Gefährten den Rücken wandte und ins Unterholz tauchte, um meine Tränen zu verbergen.
    Bald hörte ich Schritte hinter mir, und als ich mich umdrehte, war es nicht Samson, wie ich vermutet, sondern Pater Anselme.
    »Mein Sohn«, sprach er, »Ihr scheint in großer Gewissenspein. Mag Euch die Ohrenbeichte auch verpönt sein – falls Ihr mir angesichts der Gefahr sagen wollt, was Euch bedrängt, dann tut es; vielleicht fühlt Ihr Euch besser, wenn Ihr Euch einem Freund mitteilt.«
    »Ach, Pater Anselme«, sagte ich mit der ganzen Herzensaufrichtigkeit eines Hugenotten, »ich bin an Beichte nicht gewöhnt, und mir steht nicht der Sinn danach. Mein hugenottisches Gewissen ist wie eine dunkle Kammer, in der ich unter doppeltem Verschluß meine Bekümmernisse verwahre, die mich hin und wieder arg peinigen, doch ich habe den Schlüssel verloren, der ihnen öffnen und mich von ihnen befreien könnte.«
    Pater Anselme drang wider Erwarten nicht weiter in mich, sondern legte mir die Hand auf die Schulter und sagte:
    »Meine Religion ist nachsichtiger gegenüber den menschlichen Schwächen, doch ich rühme mich dessen nicht. Zu gut weiß ich, welche Mißbräuche sie wuchern ließ an ihrem großen Leib. Monsieur de Siorac, Eure Hand. Wenn wir wieder bei unseren Gefährten sind, sprechen wir zusammen das Vaterunser, weil es das einzige Gebet ist, das die Euern und die Meinen gemein haben.«
    Was wir dann auch taten; im Kreis stehend, beteten wir laut und in brüderlicher Andacht, so als hätten Hugenotten und Papisten die sie trennenden Metzeleien und Scheiterhaufen vergessen.
    Eine Viertelmeile von dem Haus entfernt, wohin die Banditen Antonio bestellt hatten, befahl uns Pater Anselme abzusitzen.
    »Der Hinterhalt muß hier in der Nähe sein«, sagte er, und an Miroul gewandt: »Geh du voraus und erkunde. Bist,

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