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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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mehr den Tod gefunden hatten. Und nach Verhandlungen mit Honoré de Grille, dem Seneschall, der weiterhin die Zitadellehielt, erlaubten sie Bernard d’Elbène, die Stadt unter Eskorte zu verlassen. Der Bischof zog sich nach Tarascon zurück und vermachte etliche Morgen Land, die er nahe Nîmes besaß, dem einzig Überlebenden von seinen Leuten, Jean Fardeau. Da er seiner zittrigen Hände wegen nicht selbst schreiben konnte, diktierte er einen Brief an den Vicomte de Joyeuse, in dem er meinen Anteil an seinem irdischen Wohlergehen lobend herausstrich. Der Brief wurde in Montpellier publik gemacht, wodurch ich in der Stadt plötzlich so hoch in Ehren stand, wie ich vorher tief verabscheut worden war – und das aus demselben Grund, denn ich hatte im Falle des Bischofs nicht anders gehandelt als im Falle von Cabassus.
    Ich für mein Teil meine, das überragende Verdienst dabei gebühre Coussinal, weil er mit großem Mut zwanzig Männern die Stirn geboten hat. Ohne sein Beispiel hätte ich vielleicht nicht gehandelt, wie groß auch mein Mitleid war für einen alten Mann, der so viel Menschlichkeit bewies in seinen vermeintlich letzten Augenblicken.
     
    Wir drei verließen Nîmes unbehindert durch die Porte des Carmes und nahmen die Straße nach Beaucaire. Dort wollten wir die Rhone überqueren und von Tarascon aus über das Kleine Gebirge Schloß Barbentane erreichen, wohin sich nach Aussage der Herbergswirtin Monsieur de Montcalm mit Frau und Tochter zurückgezogen hatte. Von meinem neuerlichen Ansehen in Montpellier nichts ahnend, glaubte ich, daß ich dorthin nicht zurückkehren dürfte, sondern mich, den Befehlen von Madame de Joyeuse folgend, Monsieur de Montcalm zu unterstellen und bei ihm auszuharren hätte, bis meine Gönnerin mich zurückriefe.
    Traurigen Gedanken hing ich nach den ganzen ersten Tag unseres Weges, weil diesmal nun die Unseren gemeuchelt hatten; dabei waren wir seit Vassy daran gewöhnt, Opfer der Papisten zu sein, nicht ihre Schlächter. Mir fiel das schöne Wort des Sokrates ein, das er in seiner Todesstunde gesprochen hatte: »Lieber Unrecht erleiden als Unrecht tun«, und ich war geneigt, ihm darin beizupflichten, so unerträglich schwer lasteten auf meiner Erinnerung die Metzeleien, deren Augenzeuge ich gewesen. Ich suchte Rechtfertigung in den zuvor erlittenen Verfolgungen, was mir freilich leichter gefallen wäre, wenn ich hätte ahnen können, welche Verbrechen in der Bartholomäusnachtan den Unseren begangen werden sollten, die nicht das Werk einiger kleiner Tyrannen aus Nîmes waren, sondern das des mächtigen Königs von Frankreich in seinem Louvre.
    Aber ich will dieses strittige Thema beenden, da ich hier Richter und Partei bin. Es könnte der Eindruck entstehen, ich wolle die Verbrechen der Meinen herunterspielen. Dem ist mitnichten so. Blut läßt sich nicht mit Blut entschuldigen.
    An diesem ersten Tag brachten wir sechs Meilen hinter uns. Allerdings wies die Straße keine Steigungen auf und war in gutem Zustand. Am Abend erreichten wir Beaucaire und nächtigten dort. Da man uns in der Herberge berichtete, daß im Kleinen Gebirge Strauchdiebe hausen, welche die Durchreisenden ausrauben und töten, entschied ich, daß wir im Morgengrauen aufbrächen, um noch vor Einbruch der Nacht hinter die Mauern von Barbentane zu gelangen. Ich trieb den ganzen Tag zur Eile an, doch gar sehr wuchs meine Unruhe, als wir Schloß Barbentane erreichten und meine Gastgeber nicht vorfanden. Der Haushofmeister, der von ihrer überhasteten Flucht aus Nîmes Kenntnis hatte, wartete seit dem Abend vergeblich und schwankte, ob er ihnen entgegenreiten solle. Er hieß Antonio, war dunkelhäutig, von Statur klein, und schien seiner Herrschaft sehr ergeben. Nachdem ich mich mit ihm beraten, entschied ich, daß wir drei die Suche aufnähmen und nur das Saumpferd in Antonios Obhut ließen.
    Nachdem wir unseren Pferden ein kurzes Verschnaufen gegönnt, selber wenig getrunken und auch den Tieren nur mäßig zu saufen gegeben hatten, brachen wir gegen zwei Uhr auf, in nur leichtem Trab, um die Tiere zu schonen und um im Wald des Kleinen Gebirges unsere Späherblicke auszusenden.
    Wir durchquerten den Wald, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Als ich am Waldsaum eine Abtei gewahrte, die den Eindruck einer kleinen Festung machte, preschte ich draufzu, schwang mich vor der Pforte aus dem Sattel und zog kräftig an der Glocke, bis sich die Torluke einen Spalt breit auftat. Ein Mönch mit mißtrauischem kaltem Blick

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