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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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zwei Söhne verloren hatte, mochte gut verstehen, daß mein Vater, sobald seine Vaterliebe aufloderte, in Angst geriet, daß der Tod uns ihm rauben könnte. Er legte dem Gast die Hand auf den Arm und sagte:
    »Madame de Montcalm und meine Tochter sind begierig, Eure Bekanntschaft zu machen.«
    »Oh, das wäre mir ein Vergnügen«, antwortete mein Vater. »Doch Ihr seht mich kriegsmäßig gerüstet, gestiefelt und verdreckt. Erlaubt mir, daß ich ein bißchen Toilette mache, bevor ich es wage, vor den edlen Damen zu erscheinen.«
    Monsieur de Montcalm, Samson und ich warteten also im großen Saal auf den Baron von Mespech, der sich im Obergeschoß zurechtmachte. Und ich muß gestehen: ein klein bißchen fürchtete ich, daß mein Vater ganz in Schwarz erschiene, da die Hugenotten jedes Gepränge schmähen und die Farbe Schwarz vorziehen. Doch in seinem Feingefühl hatte mein Vater, ehe erSarlat verlassen, etwas Geld ausgegeben, um – seinethalben und auch der Ehre seiner Söhne wegen – vorteilhaften Eindruck zu machen, was gewiß nicht nach dem Geschmack meines Onkels Sauveterre gewesen sein mochte, der unser Geld zusammenhielt. So war ich denn sehr zufrieden, als er in einem Wams aus blaßgrünem Satin vor uns erschien – er blieb dem Grün treu, das die Farbe meiner Mutter gewesen – und sogar mit einer üppigen Halskrause prunkte, anstelle des Hugenottenkrägleins, das Madame de Joyeuse so schäbig fand. Monsieur de Montcalm war sehr angetan von dieser guten Erscheinung, und mehr noch Madame de Montcalm und Angelina, die selbigen Augenblicks den Saal betraten, entzückend anzusehen in ihrem schönen Aufputz. Angelina war eitel Lächeln, Madame de Montcalm war sehr höflich, doch im Wesen zurückhaltend, neugierig auf diesen Fremden, der in ihrer Vorstellung nur wenig mehr denn ein Bauer sein konnte. Mein Vater spürte das sehr wohl, spielte seine Fähigkeiten aus, umgarnte Madame de Montcalm mit seinem Charme und hatte sie im Handumdrehen für sich gewonnen.
    Ha, wie bewunderte ich meinen Vater! Mit welchem Ergötzen verfolgte ich seinen Angriff: von aufmerksam feinem Blick und stets ein bißchen spöttisch, lächelnd und dabei stolz, wußte er im rechten Moment, wann er verstummen, wann er reden sollte. So wacker schlug er sich bei diesem ersten Gang, daß er die ihrer städtischen Residenz beraubten, sich auf dem Lande sehr langweilenden Gastgeber glatt verzückte und sie ihn am liebsten einen Monat lang bei sich behalten hätten. Doch sosehr der Baron von Mespech in seiner perigurdinischen Liebenswürdigkeit Monsieur und Madame de Montcalm mit Schmeicheleien überhäufte, zum längeren Verweilen auf Barbentane fand er sich nicht bereit. Und die »kleine Woche«, die er zugestand, dünkte mir dann in der Tat sehr kurz. So war ich glücklich, meinen Vater wiedergefunden zu haben, und gleichermaßen bekümmert, Angelina verlassen zu sollen. Ich fühlte mich ein bißchen in der Lage Gargantuas, der bei der Geburt seines Sohnes Pantagruel dessen Mutter im Kindbett verlor und nicht wußte, ob er weinen sollte, weil er das Weib verloren hatte, oder aber lachen vor Freude über seinen Sohn.
    Am Tage vor unserer Abreise wandelte ich mit Angelina über den Wachgang von Barbentane. Plötzlich blieb Angelinastehen, schaute mich mit ihren wundervollen Augen an und zog einen mit blauem Stein gezierten Ring von ihrem Finger.
    »Mein Pierre«, sprach sie ernst, »dieser Ring ist ein Erbstück. Wenn er an Euren kleinen Finger paßt, möchte ich ihn Euch schenken.«
    Ich probierte: er paßte wie angegossen. Angelina, hocherfreut, als wäre dies ein gutes Vorzeichen, sagte:
    »Tragt ihn erst, wenn Ihr Barbentane verlassen habt. Doch dann tragt ihn immer und keinen anderen Ring.«
    »Das schwöre ich Euch«, sagte ich bewegt und begriff, daß sie ihr Geschenk als Unterpfand unserer gegenseitigen Treue verstand. »Leider habe ich für Euch kein Dankgeschenk bereit; als einziges Schmuckstück trage ich diese Marienmedaille am Hals, die meine Mutter mir vermachte und von der ich mich nie getrennt habe.«
    »Daran habt Ihr recht getan«, sagte Angelina und fuhr lächelnd fort: »Ich habe eine Bitte an Euch. Doch wir wollen erst in das Pfefferfäßchen eintreten.«
    Es war dies ein rundes, mit schmalen Schießscharten versehenes Wächtergelaß im ausspringenden Winkel des östlichen Turms.
    »Ich habe Euch hergeführt, weil wir hier unbeobachtet sind«, sagte Angelina. »Ich möchte mir eine Locke von Euerm Haar abschneiden. Darf

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