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In Vino Veritas

In Vino Veritas

Titel: In Vino Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Henn
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offenkundig kranken Geistes möchte ich Sie
inständig bitten, es für sich zu behalten. Jahre von Arbeit hängen daran,
Jahre!«
    »Reden Sie schon!«
    Niemeier wirkte, als müsse er etwas Großes, Schmerzendes hochwürgen.
Dann kam es heraus.
    »Ich bin Archäologe und auf der Suche nach einem römischen
Beobachtungsturm. Hier im Altenahrer Eck. Das ist eine strategisch
hervorragende Lage. Bitte sagen Sie es niemandem!«
    » Das ist alles?«
    »Wieso sagen Sie das so abschätzig? Das wäre eine Sensation! Und wer
weiß, wie intakt er ist! Das könnte ein noch bedeutenderer Fund sein als 1980 das römische Herrenhaus in Ahrweiler. Aber
so etwas kennen Sie natürlich nicht.« Er schien Julius augenscheinlich für
einen entlaufenen Verrückten zu halten.
    »Natürlich, wer kennt die Villa nicht?«
    »Ist das nicht ein grandioses römisches Herrenhaus aus dem zweiten
bis dritten Jahrhundert nach Christus? Und so gut erhalten! Fast wie in
Pompeji! Der große Badetrakt! Die komplette Küche mit Herd, Backofen und sogar
Räucherkammer! Die Fußbodenheizung!«
    Der kindliche Enthusiasmus Niemeiers wirkte echt.
    »Jaja, ich war auch schon im Museum Römervilla. Kenn ich alles: die
Bemalung, den Schmuck, die Fußspuren von Tieren und Kindern. Das bedeutet nicht
gleich, dass hier im Altenahrer Eck, einer von Siggis Lagen, ein Turm gestanden
haben muss!«
    »Aber so eine große Villa steht doch nicht allein irgendwo! Es muss noch mehr im Tal geben, viel mehr! Ich wollte Herrn
Schultze-Nögel nach Ungewöhnlichem fragen. Aber nun ist er ja leider verschieden.
Vielleicht hätte er mir etwas über die Verfärbungen im Hang sagen können.«
    »Woher weiß ich, das Sie mich nicht wieder anlügen?«
    Eine bekannte Stimme erklang hinter den beiden.
    »Was macht ihr zwei denn da?«
    Julius schaute sich um. August Herold. Er kam lachend näher.
    »Was stellst du mit dem armen Adalbert an?«
    »Du kennst ihn?«
    »Schon ewig. Hat er dir erzählt, was er macht? Sein großes
Geheimnis?«
    »Er behauptet, er suche einen römischen Beobachtungsturm.«
    »Wenn du mich fragst, eine fixe Idee. Wenn hier was wäre, hätten wir
es schon längst gefunden.«
    »Also ist er wirklich Archäologe?«
    » Archäologe ?« Herold lachte. »Nein –
nun geh doch mal von dem armen Kerl runter, Julius! Er ist Lehrer,
pensionierter Oberstudienrat aus Brühl. Ist doch richtig, Adalbert, war doch
Brühl?«
    »Ja, Brühl ist richtig. Brühl-Kierberg, um genau zu sein. – Du
kennst diesen Verrückten?«
    Julius und Niemeier erhoben sich.
    »Verrückt? Das ist mir neu. Habt ihr euch noch nicht vorgestellt?
Naja, sieht nicht so aus. Also: Das ist Julius Eichendorff, Chef und Eigentümer
des besten Restaurants weit und breit. Es heißt ›Zur Alten Eiche‹. Und für
gewöhnlich geht Julius mit anderen Menschen pfleglich um.«
    Niemeier klopfte sich den Dreck von der Kleidung. »Ich werde Sie
anzeigen! Mich einfach so anzugreifen!«
    Das hatte Julius gerade noch gefehlt. »Es war ein Missverständnis!«
    Herold schüttelte schmunzelnd den Kopf. »Nein, Adalbert, du wirst
Julius nicht anzeigen. Erstens sagt er – und das
glaube ich ihm –, es sei nur ein Missverständnis gewesen, und zweitens
willst du doch nicht, dass der Landschaftsverband von deiner nicht genehmigten
Suche erfährt?«
    »Das ist Erpressung!«
    »Das ist ein freundschaftlicher Tipp. Mit einem kleinen Druckmittel
verbunden. Wir gehen jetzt alle zu mir und trinken einen zusammen. Ich muss nur
erst noch meine Parzelle anschauen.«
    »Augenblick, August«, sagte Niemeier. »Siehst du die Verfärbungen
hier in den Reihen? Sie reichen nur wenige Meter weit. Es ist ungefähr die
Größe einer Turmgrundfläche. Denkst du, es ist möglich, dass das Blattwerk
anders aussieht, weil sich im Untergrund römische Steinreste befinden?«
    Herold besah sich die Rebstöcke und grinste. »Nein. Tut mir Leid,
Adalbert. Die sehen anders aus, weil sie anders sind. Es handelt sich um
unterschiedliche Klone. Die hier sind kleinbeerig und dickschalig.«
    Er kniete sich auf den Boden, wo noch eine verdorrte Rebe lag.
»Scheint auch nicht viel zu tragen. Sieht nach sehr, sehr guter Qualität aus.
Im Tal hab ich so wertvolle Burgunderklone noch nie gesehen. Sind in Deutschland
auch kaum zu finden. Keine Ahnung, wo Siggi die wieder hergezaubert hat. Ihr
müsst wissen, der Kuchen kann nur einmal verteilt werden, auch im Weinberg.
Wenn ein Rebstock viel trägt, kommt von den Inhaltsstoffen, die einen guten
Wein

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