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In Vino Veritas

In Vino Veritas

Titel: In Vino Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Henn
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ausmachen, nur wenig in jeder Beere an. Trägt er dagegen schwach, sind die
wenigen Beeren prall mit dem Besten gefüllt, was der Rebstock erbringen kann.«
    »Und was meintest du mit dickschalig?«, wollte Niemeier wissen.
    »Dazu wollt ich gerade kommen. Dicke Schalen ergeben dunkle Weine.
Denn in den Schalen stecken die Farbstoffe. Der Most selbst ist ja auch bei
roten Trauben durchsichtig. Verschiedene Klone haben nun verschiedene
Ausprägungen dieser Eigenschaften. In Deutschland stehen leider viel zu viele
von denen, die massig tragen. Da gilt es in den nächsten Jahren viel neu zu
pflanzen. Die Zeiten, wo man laschen Wein verkaufen konnte, sind endgültig
vorbei. Gott sei Dank!«
    Niemeier holte ein Notizbuch hervor und strich energisch etwas
durch. Er schien enttäuscht.
    Herold stellte sich vor die beiden Streithähne. »So, jetzt klopft
euch noch mal anständig den Dreck aus den Klamotten und reicht euch die Hände.
Ich will nicht, dass meine Freunde sich streiten.«
    »Nur wenn er die Plakate wieder abhängt!«, sagte Niemeier trotzig.
    »Welche Plakate?«, fragte Herold.
    Julius winkte ab.
    »Auch egal. Das wird er bestimmt machen. Friede?«
    »Friede«, sagten Julius und Niemeier im Chor.
    Julius stellte den 6-fach- CD -Wechsler des Audis leiser. Das fiel ihm schwer, da
gerade »Bach in Brazil« vom Ensemble Camerata Brazil lief. Ein Projekt, das den
alten Eisenacher leichtfüßig nach Südamerika holte. Aber er musste mit François
über Herold reden. Julius wusste von einer schlechten Angewohnheit des
Südafrikaners, die sich nun nutzen ließ. Nach der Dreierrunde hatte er sich mit
seinem Sommelier, der den Tag über in der Porzermühle geholfen hatte, auf den
Rückweg gemacht. François musterte den Wagen kritisch.
    »Gibt’s den nicht auch mit Holz im Innenraum?«
    »Ja.«
    »Mhm.«
    Dieses »Mhm« hieß, dass Holz die bessere Wahl gewesen wäre. Aber
Julius hatte im Moment keine Lust auf ein Gespräch über unnötige
Geldverschwendung.
    »François, ich weiß, dass die Neugierde dir in die Wiege gelegt
wurde. Du konntest es bestimmt nicht lassen und hast bei Herold herumgeschnüffelt.
Wolltest wissen, ob du was Auffälliges entdecken kannst.« Der Sommelier verzog
keine Miene. »Also: Was hast du herausgefunden?«
    » Herausgefunden ? Huh, das klingt ja, als
wäre ich im Geheimdienst Ihrer Majestät tätig.«
    »Zurzeit bist du noch in der ›Alten Eiche‹tätig –
aber der Job ist sehr begehrt!«
    »Ist ja gut.« François ließ sich Zeit. »Wo fang ich am besten an?«
Er schürzte die Lippen. »Mal sehen …«
    Julius bremste abrupt. »Jetzt mach nicht so ein Bohei! Das ist kein
Spiel! Das ist Ernst! Und von meinen Nerven ist nach dem Debakel im Altenahrer
Eck nicht mehr viel übrig. Also erzähl jetzt endlich ,
ob du was in Erfahrung gebracht hast!«
    Er fuhr wieder an, den Blick starr geradeaus. François richtete sein
Haar, als wäre es gerade bei einem Kampf zerzaust worden.
    » Bon . Die sechs verschwundenen Flaschen
von Schultze-Nögel habe ich nicht gefunden. Aber die hätte er sicher längst
weggeschmissen.«
    Das mochte für normale Menschen gelten, dachte Julius. Aber Winzer
waren Landwirte. Und Landwirte warfen nichts weg, das noch zu gebrauchen war.
Wie sechs Flaschen Spitzenwein.
    »Was sonst noch?«
    »Er hat letztens sehr ausgiebig seine Gewehre geputzt. Aber mit
Gewehren haben die Morde ja nichts zu tun.«
    »Nein.«
    Julius hielt es für besser, François nicht zu erzählen, dass die
Polizei davon ausging, Markus Brück sei mit Waffengewalt in die Presse
gezwungen worden.
    »Was mich wundert, ist, wie viel Herold darüber redet, was mit
Schultze-Nögels Weingut passieren soll. Er redet nicht darüber wie jemand, der
über den Vorgarten des Nachbarn spekuliert. Er redet darüber, als wäre es in
Zukunft sein Vorgarten.«
    Ein zufriedener Ausdruck erschien auf François’ Gesicht. Er schien
zu glauben, diese Information wäre von Bedeutung. Julius sah das anders.
    » Und ?«, fragte er.
    François blickte beleidigt zum Seitenfenster hinaus, bevor er
weitersprach.
    »Herold zeigt keine große Anteilnahme. Im Gegenteil: Er redet nur
darüber, was man womit bestocken müsste. Und welche Lagen er gemeinsam mit den
eigenen ausbauen könnte. Sein Traum ist ein Spätburgunder-Cuvée aus allen
großen Lagen der Ahr.«
    »Meinst du, er wäre kaltblütig genug, um zu morden?«
    François schaute Julius wieder an. »Absolut.«
    »Und seine Frau wüsste dann etwas davon?«
    »Bestimmt.

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