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In Vino Veritas

In Vino Veritas

Titel: In Vino Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Henn
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natürlich auch nicht die Tatwaffe.
    Stopp.
    Die Tatwaffe! Das konnte es sein! Vielleicht hatte der Wanderer die
Tatwaffe hier vergraben und zwischenzeitlich seinen Fehler bemerkt. Denn in den
Weinbergen mussten viele Arbeiten durchgeführt werden, Bodendurchlüftung
mittels Aufpflügen war nur eine davon. Dann würde die Waffe ans Licht befördert
werden. Julius ging in die Hocke und versuchte Unebenheiten zu erkennen.
    Und er erkannte welche.
    Hunderte.
    Wenn der Wanderer die Tatwaffe hier verscharrt hatte, würde es Tage
dauern, sie zu finden. Warum musste alles so kompliziert sein? Und warum kam
alles auf einmal? Der Mord an Siggi. Der Mord an Markus Brück. Der
Michelin-Tester. Dass die Polizei nun auch ihn verdächtigte. Warum stellten sie
sich nicht hintereinander und warteten, bis ihre Nummer aufgerufen wurde?
Julius wurde so wütend, er hätte einen Rebstock ausreißen und in die Ahr
schmeißen können. So fühlte er sich zumindest. Die Gesetze der Physik hätten
etwas dagegen einzuwenden gehabt.
    Plötzlich waren Schritte zu hören.
    Jemand schlich die Rebzeile neben ihm hinunter. Na prima, dachte
Julius, jetzt würde er sich auch noch die Standpauke eines Winzers anhören
dürfen, was er unerlaubt im Weinberg machte. Die Schritte kamen näher. Das
Tempo blieb konstant. Sehr langsam. Julius schaute stur weiter ins Tal und
regte sich nicht. Rechts in seinem Blickfeld tauchte die Farbe Rot auf. Julius
wendete den Kopf. Rote Socken. Die folgenden Geschehnisse vollzogen sich so schnell,
dass Julius’ Unterbewusstsein keine Zeit hatte, einige kluge Einwände zu
machen. Beispielsweise darüber, dass es nicht nötig war, die Kleidung zu
verschmutzen. Oder darüber, ruhig zu sein, statt zu schreien. Auch hätte es
bestimmt angemerkt, dass der Raum zwischen den Rebstöcken und unter den
hölzernen Rebrahmen sehr schmal für einen Mann von Julius’ Umfang war. Aber das
Unterbewusstsein bekam keine Gelegenheit. Julius schrie, sprang auf, oder
besser, sprang flach auf den Boden, griff sich, weiter schreiend, den Knöchel
des Wanderers, zog sich daran, Erde gleichmäßig in seine Kleidung
einschmirgelnd, zur anderen Rebzeile, brüllte weiter wie ein kastrierter Stier,
riss den perplex dreinschauenden Wanderer um, nahm bäuchlings Platz und konnte
sich gerade noch zurückhalten, ihm eine zu verpassen.
    Er hatte den Wanderer gestellt!
    Julius’ Hände waren aufgeschürft, das Herz schlug im Hals, die
Kleidung war so versaut, dass das Rote Kreuz sie ablehnen würde.
    Aber er hatte den Wanderer gestellt.
    Julius schnaufte. Endlich war die Zeit gekommen für Fragen. Und
Antworten. Allerdings fing der Wanderer nun seinerseits an zu schreien. Julius
hielt ihm eine verdreckte Hand auf den Mund. Die andere hielt er zur Faust
geballt im Anschlag.
    »Wenn Sie noch einmal schreien, schlag ich zu! – Hören Sie
auf?«
    Der Wanderer nickte. Julius löste die Hand. Kein Mucks war zu hören.
    »Wer sind Sie?«
    Die Augen des Wanderers verrieten, dass dies die Frage war, die auch
er gerne gestellt hätte.
    »Adal … Adalbert Niemeier.«
    »Was machen Sie hier?«
    »Ich suche …«
    Sag es, dachte Julius, sag es !
    »Kräuter.«
    » Kräuter ?!«
    »Ja, Kräuter.«
    »Was für Kräuter?«
    Eine kurze Pause entstand.
    »Salbei.«
    Da war Niemeier bei Julius an der falschen Adresse.
    »Hier wächst kein Salbei. Und wenn Sie nur einen Funken Ahnung von
Kräutern hätten, wüssten Sie das!«
    Julius ballte wieder die Faust. » Was wollen Sie verbergen? Was haben Sie mit den Morden zu
tun?« Er führte die Faust näher an Niemeiers Gesicht.
    »Mit … mit den Morden? Nichts! Nichts !
Was sollte ich denn …?«
    »Und warum schleichenSie dann um Siggis
Haus herum? Und in seinen Weinbergslagen? Und warum haben Sie seinen Namen in
Ihrem Notizbuch durchgestrichen?«
    » Sie sind das! Sie haben mich am ›Hohenzollern‹ verfolgt!« Niemeier wirkte nun noch verängstigter.
    »Ich … ich hab mich damals so erschrocken, dass ich vor lauter
Angst weggelaufen bin. Und Sie sind wie ein Irrer hinter mir her! Sie haben
bestimmt auch diese Plakate mit meinem Foto aufgehängt. Ich trau mich seitdem
kaum mehr auf die Straße! Sie sind verrückt ! Ich bin
doch kein Verbrecher! Was wollen Sie von mir?«
    »Erst mal gibst du dem Verrückten ein paar
Antworten!« Julius war jetzt in Fahrt.
    »Es geht Sie nichts an! Wirklich nicht!«
    Die Faust berührte Niemeiers Nasenspitze.
    »Keine Gewalt mehr! Bitte ! – Gut.
Eins noch zuvor. Trotz Ihres

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