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In Vino Veritas

In Vino Veritas

Titel: In Vino Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Henn
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da!«
    »Das kenn ich nur zu gut. Tschüs, Józef!« Julius drehte sich um und
ging zurück zum Wagen.
    »Herr Eichendorff, tun Sie mir einen Gefallen bitte. Streicheln Sie
den Moritz, wenn Sie gehen zum Auto. Der arme Hund ganz traurig daliegt, ist
ganz allein, seit Chef tot. Rennt durch die Gegend wie Waisenkind. Gestern
sogar bis Marienthal, auf der großen Straße! Hat ihn dann einer zurückgebracht.
Gott sei’s gedankt!«
    Julius fand den Hund auf einer alten Karodecke in der Sonne liegend.
Moritz schaute ihn aus seinen treuen Cockeraugen traurig an.
    »Hat denn keiner Zeit, mal mit ihm zu spielen?«
    »Spielen! Will nicht mehr spielen, seit Chef ist tot. Und sein alter
Stock auch verschwunden. Wahrscheinlich hat der Herr Herold ihn geworfen weg.
Der ist ja sehr, sehr ordentlich. Da darf ja nichts rumliegen in Weingut, was
da nicht gehört hin.«
    Als Julius den Hund kraulen wollte, senkte dieser den Kopf mit einem
Schnaufen und schloss die Augen. Ein paar Streicheleinheiten bekam er trotzdem.
Merkwürdig, dachte Julius, eigentlich hatte die Beziehung zwischen Hund und
Herrchen nie sonderlich herzlich gewirkt. Aber man konnte eben nicht in die
Herzen blicken.
    Nach einem Zwischenstopp zu Hause machte sich Julius,
standesgemäß eingekleidet, auf den kurzen Weg zum »Milsteinhof«. In dem
Golfclub-Restaurant am Remagener Weg, fast genau in der Mitte zwischen
Kirchdaun und Bad Bodendorf gelegen, war ein neuer Pächter eingezogen. Die
Restaurateurs-Riege wollte testessen, feststellen, welche Konkurrenz sich da
auftat. Julius machte sonst einen weiten Bogen um das Mekka der besseren
Gesellschaft. Bei der Mitgliederaufnahme des Clubs gab es eine Warteliste bis
nach Köln – aber Julius war sowieso nicht erpicht darauf, einen kleinen,
unschuldigen Ball über eine große Wiese zu prügeln, um ihn schließlich in ein
winziges, dunkles Loch kullern zu lassen.
    Vorbei an schicken 7ern, blitzenden S-Klasse-Modellen
und roten Porsche Carreras ging Julius zum Eingang, nicht ohne den ein oder
anderen Blick auf die spielenden Damen zu erhaschen. Heute war Ladys Day, und
die weibliche Talprominenz schwang vergnügt die Golfschläger.
    Am Eingang begrüßte ihn ein wohl bekanntes Gesicht.
    »Herr Eichendorff, schön, Sie mal wieder zu sehen!«
    »Uli! – Sag, als du noch bei mir gearbeitet hast, sahst du
irgendwie entspannter aus.«
    Die quirlige Brünette warf ihm einen leicht vorwurfsvollen Blick zu.
Sie erinnerte eher an eine Hochspringerin als eine Golferin. Julius kannte die
Azubiene gut, bis letztes Jahr war sie in seiner Restaurantbrigade tätig
gewesen, bevor der Milsteinhof das hübsche Mädchen geködert hatte.
    »Das kann ich mir kaum vorstellen, dafür waren die Zahlen auf meinem
Gehaltsscheck einfach zu klein. Mein alter Chef wusste nicht, was er an mir
hatte!«
    Sie ist noch kesser geworden, dachte Julius. Schade, dass er sie an
die Golfer verloren hatte.
    »Dein alter Chef muss wirklich ein dummer Hanswurst gewesen sein.
Leute gibt es …« Uli lachte und nahm Julius den Mantel ab. »Wenn ich
deinen alten Chef sehe, werde ich ihm sagen, dass er dir bei Gelegenheit ein
saftiges Trinkgeld geben soll. Das ist ja wohl das Mindeste!«
    Julius erntete ein strahlendes Lächeln. »Die anderen sind schon da.
Unser Koch ist ganz unruhig, hat ja nicht gewusst, was da heute auf ihn
zukommt. Herr Rude hatte unter falschem Namen reserviert!«
    »Gleiche Bedingungen für alle. Wir wollen nur das essen, was auch
jeder andere Gast bekommt.«
    »Ich hab das von Ihnen in der Zeitung gelesen. Find ich ganz prima,
dass Sie sich so für Ihre Verwandtschaft einsetzen!«
    »Ach, das . Es wird alles nur halb so heiß
gegessen wie gekocht, Uli. Und wenn einer so was sagen kann, dann ich.«
    Uli blickte in Richtung Restaurant. »Herr Carême und Herr Prieß
nehmen das mit dem Testessen ja sehr ernst. Das muss ich schon sagen. Aber wir
liegen natürlich auch in direkter Konkurrenz. Genau wie zu Ihnen!«
    Julius war verwundert. »Wieso nehmen nur die beiden es sehr ernst?
Haben die etwa wieder doppelte Portionen bestellt?«
    »Neeeein. Die zwei waren vor knapp einer Woche schon hier. Haben
sich extra einen Tisch in der Ecke geben lassen, weit weg von den anderen
Gästen. Wollten wahrscheinlich kein Aufsehen erregen, wenn Sie das Essen kritisieren.
Das fand ich sehr höflich.«
    »Ja, das ist es tatsächlich.«
    Und untypisch für Prieß, dachte Julius. Höflichkeit stand bei diesem
auf der Liste der unnützen Tugenden. Auf Platz 1.
Und

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