In Vino Veritas
du nicht auch, die Leute glauben jetzt, ich
steh nicht mehr selbst in der Küche, weil ich ja Mördern nachjagen muss?!«
»I wo!«
»Glaubst du etwa nicht – schenk mir mal nach! –, dass sich
die Presse jetzt auf mich stürzen wird? Und weißt du schon, dass du deinen viel
zu gut dotierten Job verlierst, wenn du nicht jeden Einzelnen davon
abwimmelst?«
»Du meinst wirklich, es war keine gute
Idee?«
»Sag denen, das Detektivbüro sei für immer geschlossen, bei uns
würde nur noch gekocht, und über nichts anderes sollen sie schreiben.«
Julius bewegte sich langsam Richtung Küche. »Das Beste an deinem
Werbe-Gag, lieber Franz-Xaver, ist: Jetzt weiß der Mörder, dass ich hinter ihm
her bin.«
Julius ging durch die Schwenktür in die Küche. Dann ließ er einen
Schrei los. Jetzt ging es ihm besser. Franz-Xaver jedoch nicht, denn der hatte
vor Schreck die Schnapsflasche fallen gelassen.
Die Lust am Ermitteln war ihm gründlich vergangen. Aber um
Lust ging es schließlich nicht, dachte Julius, als er auf den Parkplatz vor dem
Weingut Schultze-Nögel einbog. Zum Aufhören war es zu spät. Wer in einem Floß
auf die Niagara-Fälle zutrieb, konnte nicht plötzlich aufhören zu paddeln.
Es hieß weitermachen. Julius war eingefallen, dass er eine
Informationsquelle bisher vernachlässigt hatte. Dazu noch eine, die für
gewöhnlich gut unterrichtet war. Die Quelle stand zurzeit neben einem großen
Inox-Stahl-Weinbehälter und säuberte ihn mit einem Wasserschlauch.
»Du bist lang hier dieses Jahr, Józef!«
Józef gehörte zum Inventar des Weinguts. Der polnische Erntehelfer
machte jedes Jahr die Reise vom Riesengebirge an die Ahr, um sich etwas
dazuzuverdienen. Er lächelte Julius an, wie er immer lächelte. Es war, als
lächelte der ganze Józef, als sei der gesamte Körper des alten Mannes voller
Freude. Julius hatte sich schon oft gewünscht, sich eine Scheibe von Józefs Glück
abschneiden zu können. Aber Glück, das wusste Julius, war ein körpereigener
Stoff. Man konnte ihn nur selbst produzieren.
»Schönen guten Tag, Herr Eichendorff! Viel Arbeit dieses Jahr, wo
Chef doch ist gestorben …« Józef legte den Schlauch auf den Boden und
reichte Julius die Hand. Sie hatte Bratpfannengröße.
»Und was sagt deine Familie dazu, dass du so lang weg bist?«
»Was soll schon sagen?« Er zuckte mit den Schultern. »Sind froh,
wenn ich heim bringe mehr Geld, das sind sie.«
»Wer ist denn sonst noch dageblieben?«
»Nur Alte, Zbigniew und Piotr. Mein Sohn Aleksander musste wieder
gehen, studieren. Der Junge hätt gut gebrauchen können das Geld.«
Genug der Vorrede, dachte Julius.
»Józef, ich wollte dich etwas fragen.«
»Nur immer heraus, Herr Eichendorff! Józef weiß immer Antwort!« Sein
Lächeln wurde noch breiter, und er fügte hinzu: »Meine Frau sagt aber was
anderes!«
Julius musste lachen. Er kannte Józefs Frau nicht, konnte sie sich
aber mittlerweile gut vorstellen. Ein Hausdrachen sondergleichen, mit einem gut
genährten Herz aus Gold.
»Als Siggi ermordet wurde, an dem Tag, bevor man ihn fand, ist dir
da was aufgefallen? War da wer im Weingut, gab’s da Streit?«
Józef überlegte und schob mit dem Fuß den Wasserschlauch Richtung
Gully. »Nein, kein Streit. War immer friedlich, nie eine böse Wort.«
»Kam denn noch jemand vorbei, um was zu holen oder so?«
»Nur Mann von dem ›Himmelund der Äd‹, ich
den Namen nicht weiß …«
»Prieß.«
»Das kann schon sein.«
»Und der hat was gemacht?«
»Der wollt abholen Wein, hat er gesagt. Hat mich nämlich gefragt, wo
Chef ist, er wollt ein paar Kisten von die Beste mitnehmen. Ist dann aber ohne
gefahren. Sonst kam keiner. War viel Arbeit an den Tag.«
»Und als Markus …?«
»Oh, das weiß ich nicht. Da ich war im Mönchberg. Faule Trauben rausschneiden
wegen die Eiswein.«
»Hast du vielleicht einen Verdacht, wer’s gewesen sein könnte? Du
hörst doch bestimmt viel?«
»Nein, nein, zwei so gute Chefs! Wer macht so was? Was sind das für
Leute? Also, was einige Zeitungen schreiben, dass es gewesen sein soll die Frau
Chefin. Nein!«
Er machte eine Bewegung, die klarstellte, was er davon hielt: In den
Mülleimer damit. So was dachte man in Józefs Welt nicht einmal.
»Danke, Józef! Du hast mir sehr geholfen. Viele Grüße an die
Familie! Und arbeite nicht so viel!«
»Ach, Herr Eichendorff! Ist noch so viel zu tun! Muss noch alles
reinigen und nächste Woche auch richtig durchkehren, für Winter. Ist immer
Arbeit
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