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In weißer Stille

In weißer Stille

Titel: In weißer Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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Spiegelbild ihrer selbst. Dahinter lag die Nacht wie eine dunkle Höhle. Der erste Satz des
Herbstkonzerts
erklang in runden Tönen und ließ Caroline an schwere Kürbisse, duftende Äpfel, erdige Kartoffeln und fallende Blätter denken. Warum war sie nie in Afrika gewesen? Es war der Kontinent ihrer Sehnsucht, und doch hatte sie ihn bisher gemieden wie eine No-go-Area in New York.
    Sie wandte sich um, holte den Laptop aus der Tasche, die noch im Flur lag, setzte sich an ihren Schreibtisch und stöpselte das Internetkabel ein. Nach fünf Minuten hatte sie Christian Brandenbourgs Adresse und Telefonnummer ausfindig gemacht. Er hatte ihre Mutter gekannt. Damals war er zwar ein Teenager gewesen, doch vielleicht hatte er sie in Erinnerung behalten. Wie war sie damals gewesen?
    Kurz entschlossen wählte Caroline die Nummer. Nach dem dritten Läuten schaltete sich der Anrufbeantworter ein. Eine angenehm dunkle Männerstimme bat darum, eine Nachricht zu hinterlassen.
    »Guten Abend, Herr Brandenbourg. Mein Name ist Caroline Heckeroth. Ich weiß nicht, ob er Ihnen etwas sagt. Als Junge haben Sie meine Mutter gekannt. Ichwürde mich gerne mit Ihnen über sie unterhalten. Wenn Sie Zeit und Lust haben, rufen Sie mich doch bitte an.« Sie sprach noch ihre Telefonnummer auf das Band und legte dann auf.
    * * *
    Babs saß am Küchentisch und wunderte sich über die Ruhe, die sie erfasst hatte. Die Frage, ob Megäre oder tolerante Ehefrau, war hinfällig. Diese Rollen, von denen sie befürchtet hatte, eine würde ihr übergestülpt, standen nicht zur Wahl. Das Drama spielte auf einer anderen Bühne, auf der die Frau für den guten Fick bestenfalls eine Statistin war. Es ging nicht um Margret Hecht, und es ging auch nicht darum, dass Albert untreu war.
    Er hatte sie gebeten, Kaffee zu besorgen, und sie hatte ihm gesagt, dass sie den Einkauf sofort erledigen würde. Also hatte er gewusst, wann sie in der Praxis aufkreuzen würde. Sein Verhalten ließ nur einen Schluss zu: Er hatte diese Situation bewusst herbeigeführt und gewollt, dass sie ihn mit seiner Sprechstundenhilfe erwischte. Es war eine gezielte Verletzung und Demütigung. Das Problem war nicht, dass er eine andere Frau bumste, sondern dass er seine eigene nicht liebte. Was die Sache einfacher machte.
    Babs stand auf, kochte sich eine Kanne Tee und lenkte sich mit der Arbeit an der Detailplanung ab. Sie war erstaunt, als Albert gegen sechs nach Hause kam. Eigentlich hatte sie, wenn überhaupt, später mit ihm gerechnet. Die Tür schlug zu, und sie dachte, wenn er jetzt wieder mit Rosen ankommt, dann haue ich sie ihm um die Ohren.
    »Babs. Mäuschen«, rief er und kam in die Küche. Wieder hatte er das reuige Sündergesicht aufgesetzt und lächelte sie an. »Nicht böse sein. Das lässt sich erklären.«
    Ach wirklich! »Was gibt es da zu erklären? Du brauchtest dringend einen guten Fick. Und es sah auch genauso aus wie das, was
Mann
sich darunter vorstellt. Aber offensichtlich hattest du Publikum nötig, um so richtig auf Touren zu kommen.«
    »Jetzt sei doch nicht so sarkastisch. Es tut mir leid.«
    »Was? Die Affäre mit diesem Mädchen oder dass du dafür gesorgt hast, dass ich euch ertappe?«
    Er zuckte zusammen. »Ich wollte dich nicht verletzen. Ich habe mich entschuldigt.«
    Er konnte doch beim besten Willen nicht so naiv sein und annehmen, dass diese dürren Worte alles ins Lot brachten. Aber Babs hatte sich entschlossen, nicht zu streiten. Es war sinnlos. Was er getan hatte, sagte alles über seine Gefühle und den Stand ihrer Ehe aus. Sie lehnte sich an die Kühlschranktür und überlegte, wie sie ihm ihre Umzugswünsche beibringen sollte.
    Er zog einen Umschlag aus der Sakkotasche. »Kinokarten für heute Abend. Und hinterher gehen wir schön essen.«
    Es war noch keine zwei Wochen her. Am Mittwoch nach dem vermasselten Hochzeitstag, da hatte sie Albert in der Praxis abgeholt und ins Kino geschleppt.
Viel Lärm um nichts.
Sie erinnerte sich noch zu gut, wie sie gleich zu Beginn über einen Vers erschocken war, der im Vorspann rezitiert wurde.
Klagt Mädchen, klagt nicht Ach und Weh, kein Mann bewahrt die Treue, am Ufer halb, halb schon zur See, reizt, lockt sie stets das Neue.
    Babs musste lachen. Nichts konnte ihre Urangst besser ausdrücken als diese Zeilen. Und gerade hatte sie den Beweis für deren tiefe Wahrheit erhalten. Vor nicht einmal zwei Wochen war ihre größte Sorge die gewesen, dass ihre Ehe scheitern könnte. Nun war es so weit. »DerMänner Trug

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