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In weißer Stille

In weißer Stille

Titel: In weißer Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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Franziska, der sich mit Computern auskennt. Gibt es so jemanden?«
    Laura überlegte. »Sie hat keine Freunde. Also, Jungs, meine ich.«
    In der Wohnung quietschte eine Tür. Eine Frau rief: »Laura, das Abendessen ist fertig.«
    Sie drehte sich um. »Ich komme gleich.« Dann wandte sie sich wieder Dühnfort zu. »Tut mir leid.«
    »Und in der Klasse oder in der Schule, da gibt es doch sicher einen, der das könnte.«
    Sie zuckte die Schultern. »Höchstens der Olav. Der ist so ein Nerd, ein richtiger Sozialautist. Aber ob Franzi den gefragt hätte … Ich glaube nicht.«
    »Wer weiß. In der Not … Können Sie mir Namen und Adresse geben?«
    »Olav Pongratz. Er wohnt bei seiner Oma drüben in der Agnesstraße. Die Hausnummer weiß ich nicht, aber er wohnt über einem Computershop. Das habe ich mir gemerkt, weil es so gut zu ihm passt.«
    Dühnfort bedankte sich und machte sich auf den Weg. Inzwischen war es dunkel geworden. Es war nicht weit, und der Computerladen nicht zu übersehen. Er befand sich in einem schmucklosen Haus aus der Nachkriegszeit. Neben einer Klingel in der ersten Etage fand er den Namen Pongratz. Die Haustür war offen. Dühnfort trat ein, schaltete das Flurlicht an, ging hinauf und läutete. Eine etwas aus der Form geratene Frau öffnete einen Moment später. Graue Dauerwelle, ein fliederfarbener Polyesterpulli, ein rascher Blick aus mausgrauen Augen. »Wir kaufen nichts.« Die Tür schloss sich langsam wieder.
    »Ich hätte gerne Ihren Enkel gesprochen. Ist er da?«
    »Wer will das wissen?«
    Dühnfort zeigte ihr seinen Ausweis.
    »Der Bub hat doch nichts angestellt?«
    »Ich habe nur ein paar Fragen wegen einer Mitschülerin. Kann ich reinkommen?«
    Sie zog die Tür wieder auf. Der Flur war mit dunkelbraunem Teppichboden ausgelegt, die Wände mit weißer Raufaser tapeziert. An ihnen hingen kleinformatige Ölgemälde, die ländliche Idyllen zeigten. Dühnforts Blick blieb an einem Gockel hängen, der auf einem Misthaufen über einer Hühnerschar thronte wie ein König über seinem Volk. Im Hintergrund gab es reichlich schneebedeckte Gipfel. Olavs Großmutter wies auf eine Tür, an der ein Schild hing.
Störe meine Kreise nicht!
»Eigentlich darf da niemand rein.«
    Dühnfort klopfte.
    Als keine Reaktion erfolgte, öffnete er die Tür und trat in ein beinahe dunkles Zimmer. In einer Ecke blinkten rote, grüne und gelbe Leuchtdioden von Computer, Drucker und sonstigem Peripheriegerät. Vor einem Monitor nahm er den Schattenriss des Jungen wahr. Das Zimmer schien seit Jahren nicht gelüftet worden zu sein. Der Geruch von Schweiß, tagelang getragenen Socken, ungewaschener Wäsche und Essen stand darin wie eine geronnene Masse.
    Olavs Großmutter trat nach ihm ein. »Olav, Besuch für dich. Der Herr ist von der Polizei und hat ein paar Fragen wegen einer Mitschülerin. Ich mach mal das Licht an.«
    Es wurde hell. Dühnfort hatte schon viel gesehen, eine solche Müllhalde allerdings selten. Es war ein wildes Durcheinander von Kleidungsstücken, Büchern, Comics, Schokoriegelpapier, benutzten Tempotaschentüchern und anderem mehr. In einer halbleeren Apfelsaftflasche schwamm eine Insel aus grünem Schimmel, einen Joghurtbecher füllte ein zartes Gespinst schwarzer Schimmelkultur.
    »Ja Bub, wie schaut es denn hier aus!« Entsetzt schlug Olavs Oma die Hand vor den Mund und ließ sie dann sinken. »Er lässt mich ja nicht rein, sperrt immer ab, wenn er nicht da ist.«
    Der Junge stand auf und drehte sich um. Er trug eine schwarze Wollmütze und hatte mindestens fünfzehn Kilo Übergewicht. Blaue Augen saßen wie Knöpfe in dem noch kindlich wirkenden Gesicht. Sie musterten Dühnfort ausdruckslos. Olav trug Jeans, deren Schritt zwischen den Knien baumelte, ein weißes T-Shirt und darüber ein blaukariertes Holzfällerhemd. »Wegen der Franzi, oder?«
    »Da muss man sich ja schämen, Bub. Morgen lässt du offen, damit ich putzen kann«, sagte seine Oma.
    Dühnfort nickte und sah sich um, während Olav näher kam. Er zählte zwei PCs, zwei Laptops, mehrere Monitore. An einem Router blinkten Lichter, ein Handheld lag auf einem Sweatshirt mit Tomatensoßenfleck, etliche Festplatten befanden sich auf und unter dem Schreibtisch, das Handy lag neben der Tastatur. Der Bildschirmschoner schaltete sich ein. Er zeigte ein Foto von Franzi.
    Plötzlich kam Bewegung in Olav. Er schubste Dühnfort zur Seite, der sich stolpernd fing, während der Junge bereits durch den Flur rannte. Dühnfort stürzte aus dem Zimmer

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