In weißer Stille
war immer gleich, seitdem die Schwalben ziehen«, sagte sie.
»Was?«
»Shakespeare.
Viel Lärm um nichts.
Du erinnerst dich?«
Albert legte die Karten auf den Küchentisch und kam auf sie zu. Sein Gesicht zeigte ein erleichtertes Lächeln, offensichtlich ein Missverständnis. Er wollte sie in den Arm nehmen. Sie wich ihm aus. Er hielt verdutzt inne.
»Albert. Das hat doch keinen Sinn. Was du vorne aufbaust, reißt du hinten wieder ein. Ich weiß nicht, warum du das tust, aber es macht alles kaputt. Am besten ziehst du für ein paar Tage in die Wohnung deines Vaters. Wir brauchen Distanz.«
Er wich einen Schritt zurück. »Ach. Du hast das schon geplant. Sind meine Koffer auch schon gepackt?« Er ging tatsächlich zur Küchentür, warf einen Blick in den Flur und kehrte dann zurück. »Ich brauche keinen Abstand. Ich brauche dich. Du bist meine Frau.«
»Und als solche, denkst du wohl, habe ich alles hinzunehmen. Genau wie deine Mutter!«
Albert ließ sich nicht provozieren. Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Du hast es doch selbst gesagt. Männer können nicht treu sein.« Wieder versuchte er diesen unschuldigen Jungenblick aufzusetzen, aber er schaffte es nicht. Stattdessen kam etwas anderes zum Vorschein. Angst. Und das versetzte ihr einen Stich.
»Das habe ich nicht gemeint.« Babs blieb am Kühlschrank stehen. »Du hast gewollt, dass ich das sehe.«
»Nein … vielleicht. Ich weiß es nicht.« Er starrte auf seine Hände. »Seit Mutters Tod … ich weiß auch nicht, die Familie bricht auseinander … es ist wie ein Hurrikan. Zuerst stand alles still. Und jetzt … er reißt uns mit sichund wird alles zerstören.« Er hob seinen Blick. Hilfesuchend. »Verlass mich nicht.«
Sie nahm seine Hand. »Glaubst du, ich will, dass wir uns trennen? Aber so kann es nicht weitergehen. In den letzten Tagen warst du ohnehin mehr in der Wohnung deines Vaters als zu Hause. Ein räumlicher Abstand tut uns sicher gut, damit wir wieder aufeinander zugehen können. Ja?«
In seinem Blick spiegelten sich widerstreitende Gefühle. Bestürzung. Zorn. Verwunderung. Dann legte sich ein resignierter Zug um seinen Mund. Er ließ ihre Hand los. »Also gut. Alles ist im Umbruch. Warum nicht auch das? Ich werde übrigens die Praxis verkaufen.«
»Was? Wieso denn das?«
»Wir können in Vaters Wohnung ziehen und von den Mieteinnahmen leben.«
»Und was willst du dann machen, dich zur Ruhe setzen?«
»Warum nicht?«
»Mit einundvierzig?«
Er zuckte mit den Schultern.
War das nun das nächste Schlachtfeld, das er eröffnete? Babs entschloss sich, es vorerst nicht zu betreten. Der Plan war absurd. Selbst wenn sie mietfrei in der Wohnung leben konnten, reichten die Mieteinnahmen im Moment gerade aus, um die Hypothek zu decken und die laufenden Instandhaltungskosten des Hauses zu tragen. Und was davon übrigblieb, war zu gering, um eine vierköpfige Familie zu ernähren, außerdem musste es unter den Erben geteilt werden.
»Ich packe ein paar Sachen.« Er stand auf und verließ die Küche. Babs setzte sich und lauschte den Geräuschen, die aus dem Schlafzimmer drangen. Ein Hurrikan. Undmit Mutters Tod hat es begonnen. Bis heute war sie der Meinung gewesen, der Mord an seinem Vater hätte Albert derart aus dem Gleichgewicht gebracht und trieb ihn nun zu diesem destruktiven Verhalten. Sie hatte nicht geahnt, wie sehr ihn auch der Tod seiner Mutter getroffen hatte.
* * *
»Ich bin es noch einmal«, sagte Dühnfort, als Laura Kemper die Tür öffnete.
»Sehr scharfsinnige Bemerkung.« Ihr entwischte ein Lächeln. »Was gibt es denn noch?«
»Nur eine Frage. Hat Franzi einen Freund, der sich gut mit Computern auskennt, einen, der in die Tiefen eines Betriebssystems hinabsteigen und auch programmieren kann?« Das Klappern von Töpfen klang aus der Küche, der Geruch von gebratenem Ingwer und Gemüse zog durch die offene Tür ins Treppenhaus.
»Hat der Alte sich noch an andere Mädchen rangemacht?«
»Ich hoffe nicht. Außerdem lebt er nicht mehr.«
»Der Heckeroth ist tot?« Das schien tatsächlich eine Neuigkeit für sie zu sein.
»Jemand hat das Passwort seines PCs geknackt. Ich vermute, Franzi. Aber sie muss einen Helfer gehabt haben. Wer könnte das gewesen sein?«
»Wurde er ermordet?«
Dühnfort nickte.
»Aber damit kann Franzi nichts zu tun haben. Sie liegt seit drei Wochen im Krankenhaus.«
»Hören Sie, ich kann Ihnen das jetzt nicht erklären, und ich darf es auch nicht. Ich suche einen Freund von
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