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In weißer Stille

In weißer Stille

Titel: In weißer Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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haben Sie den Schlüssel aus dem Versteck geholt und sind hineingegangen. Erzählen Sie mir, wie Sie Ihren Vater gefunden haben.«
    Albert faltete die Hände ineinander und atmete durch, sichtlich um Fassung bemüht. »Ich bin Arzt und kenne daher Leichengeruch. Mir war sofort klar, dass etwas nicht stimmt, als ich das gerochen habe … aber etwas in mir hat sich geweigert, Vater damit in Verbindung zu bringen. Komischerweise habe ich an eine tote Katze gedacht.« Er sah auf. »Vor zwei Jahren im Herbst hat mein Vater aus Versehen eine Katze im Schuppen eingesperrt. Er hatte sie nicht bemerkt und ist heimgefahren. Als wir ein paar Wochen später wiederkamen und den Schuppen öffneten … also es stank entsetzlich. Deshalb habe ich wohl an eine Katze gedacht. Aber dann habe ich das Chaos im Schlafzimmer gesehen … und dann die Matratzevor der Badtür. Ich habe sie beiseitegestellt und bin reingegangen.« Albert legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. »Ich glaube, ich habe das Licht ausgemacht. Ich wollte das nicht sehen.«
    »Das Licht war also an, als Sie hineingingen.«
    Albert nickte.
    »Haben Sie eine Vermutung, wer das getan haben könnte?«
    »Einbrecher, war mein erster Gedanke, als ich das durchwühlte Schlafzimmer gesehen habe.«
    Dr. Weidenbach trat ans Fenster und gab ihm ein Zeichen hineinzukommen. Dühnfort entschuldigte sich bei Heckeroth und traf die Rechtsmedizinerin im Flur.
    »Sie können die Leiche jetzt abholen lassen. Hier kann ich nichts mehr für ihn tun.« Sie zog ein Tuch aus dem Ärmel des weißen Overalls und begann ihre Brille zu putzen.
    »Haben Sie schon einen ungefähren Todeszeitpunkt?«
    »Das wird schwierig. Bei dem Zustand der Leiche … Ich schaue, was ich machen kann, aber dafür muss er auf den Seziertisch.« Sie wies mit dem Kinn Richtung Badezimmer und setzte die Brille wieder auf.
    »Und eine Todesursache?«
    »Es gibt nur unwesentliche äußerliche Verletzungen. Die Abschürfungen an den Handgelenken und eine kleine Wunde am Kopf. Daran ist er nicht gestorben. Der Rest wäre Spekulation. Gedulden Sie sich bis morgen.«
    Dühnfort rief Berentz an und bat ihn, den Transport der Leiche in die Rechtsmedizin zu organisieren. Dann kehrte er auf die Terrasse zurück und fragte Albert, ob er alleine nach Hause fahren könne.
    »Es geht schon.«
    Dühnfort begleitete ihn zu seinem Auto. Während er denRücklichtern nachblickte, kam Gina vom Nachbargrundstück herüber. Die kinnlang geschnittenen dunklen Haare wippten im Takt ihrer Schritte.
    »Sein Haus ist seit Montagabend verschlossen. Die Nachbarin, eine Frau Ullmann, ist an diesem Abend gegen halb zehn mit ihrem Hund Gassi gegangen. Da waren die Fensterläden schon zu und das Auto weg.«
    »Seit einer Woche also. Ist sie sicher, dass es Montag war?«
    Gina nickte. »Sie hat Heckeroth noch am Vormittag getroffen und ihn für Dienstagnachmittag zum Tee eingeladen. Er hat zugesagt, und deshalb hat sie sich gewundert, dass er weggefahren ist, ohne die Verabredung abzusagen. Das ist sonst nicht seine Art. Wie machen wir weiter?« Gina verschränkte die Arme vor der Brust und zog die Schultern hoch. Anscheinend war ihr kalt.
    Buchholz würde noch Stunden brauchen. Das Gelände um den Tatort wollte Dühnfort bei Tageslicht absuchen lassen. Er wählte erneut die Nummer der Einsatzabteilung und bat Berentz, sobald die Sonne aufgegangen war, einen Zug der Bereitschaftspolizei dafür einzuteilen. Dann sagte er, an Gina gewandt: »Wir machen für heute Schluss.«
    Alois kam den Weg von der Uferstraße hoch. »Keiner da. Die Besitzer der Häuser habe ich telefonisch erreicht. Einer war seit Monaten nicht am See. Aber die anderen, ein Ehepaar aus München, haben das vorletzte Wochenende hier verbracht und dabei auch Heckeroth senior gesehen. Am Sonntagmittag hat er mit seinem anderen Sohn im Garten gegrillt. Mit Bertram.«
    Ein alter Mann, der ein gutes Verhältnis zu seinen Kindern hatte. Der eine Sohn kam zum Grillen, der andere, um Reparaturen auszuführen – eine intakte Familie. Und nunfehlte plötzlich ihr Dreh- und Angelpunkt. Alles würde sich verschieben.
    Auf der Heimfahrt dachte Dühnfort an seinen Vater, der in Hamburg lebte und dem er jahrelang aus dem Weg gegangen war. Erst im Sommer, anlässlich seines siebzigsten Geburtstags, hatte sich wieder ein Kontakt ergeben. Erstaunt hatte Dühnfort registriert, dass sein Vater, ein prominenter Strafverteidiger im Ruhestand, voller Interesse seine Fälle verfolgte.

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