In weißer Stille
überfallen wurde, also am 6 . Oktober. Albert ging gegen neun Uhr, die Nachbarin kam mit ihrem Hund um halb zehn am Grundstück vorbei. Da war das Auto bereits weg und die Fensterläden geschlossen. In dieser Zeit muss der Überfall stattgefunden haben.«
»Bisschen knapp, oder?«, meinte Gina.
»Finde ich nicht.« Alois blickte in die Runde. »Das war geplant, und sie waren mindestens zu zweit. Einer schleppt den alten Mann ins Bad und fesselt ihn, während der andere nach Wertsachen sucht. Dafür braucht man keine halbe Stunde.«
Dühnfort nickte. »Wenn es sich tatsächlich um einen Raubüberfall handelt, dann waren das Profis. Sie haben außer den Bank- und Kreditkarten nur eine wertvolle Uhr mitgenommen.«
»Und das Auto. Das kostet sicher mehr, als ich im Jahr verdiene.« Gina ließ den Knopf des Kugelschreibers auf der Tischplatte ein- und wieder ausrasten.
»Es wurde natürlich nicht als gestohlen gemeldet. Wie auch? Vielleicht war das der Grund, weshalb Heckeroth senior gefesselt zurückgelassen wurde. So konnte man das Fahrzeug unbehelligt über die Grenze bringen.« Alois sah zu Dühnfort.
»Mir gefällt das nicht. Weshalb die Matratzen vor Tür und Fenster? Sie hätten sich das ersparen können, wenn sie Heckeroth geknebelt und das Licht ausgeschaltet hätten. Vermutlich wäre das sogar die bessere Methode gewesen,um zu verhindern, dass jemand Heckeroths Hilferufe hörte oder einen Lichtschein sah.«
»Schon komisch.« Gina kaute kurz auf ihrer Unterlippe. »Vielleicht haben sie von Heckeroth die PIN der Geldkarte erpresst und wollten auf Nummer sicher gehen. Könnte ja sein, dass er gelogen hat. Deshalb haben sie ihn gefesselt, um notfalls zurückkommen zu können und die richtige aus ihm rauszuholen. Als sich das erübrigt hat, haben sie Gas gegeben und den alten Mann seinem Schicksal überlassen.« Wieder ließ Gina den Kugelschreiberknopf ein- und ausrasten und lächelte dabei Alois an.
»Auch dann hätten sie sich mit Knebeln eine Menge Arbeit erspart.«
Buchholz reckte sich, dass der Stuhl knarrte. »Wenn das Profis waren, dann haben sie Heckeroth ausspioniert und wussten, wie lange er im Wochenendhaus bleiben wollte. Solange niemand ihn vermisste, war genügend Zeit, die Geldkarte zu benutzen und die Kreditkarten einzusetzen.«
»Aber dann muss ihnen klar gewesen sein, dass eine Woche vergeht, bis man ihn finden würde, und dass er das nicht überlebt. Ganz schön kaltblütig.« Gina legte den Kugelschreiber weg.
»Wir müssen das Konto überprüfen. Hat es Abhebungen gegeben? Wenn wir Glück haben, gibt es Aufzeichnungen einer Überwachungskamera. Falls sie die Kreditkarten benutzt haben, bekommen wir vielleicht eine Personenbeschreibung«, sagte Dühnfort.
Alois griff nach seinem Notizblock. »Das mache ich.«
»Gut. Außerdem ist eine teure Armbanduhr verschwunden. Und dann sollten wir die Telefonverbindungen überprüfen. Übernimmst du das, Gina?«
»Klar, Boss. Wir gehen also von Raubmord aus?«
»Das ist eine Möglichkeit.«
»Ich frag ja nur, weil du das anscheinend nicht glaubst.«
Seit gestern Nacht hatte Dühnfort das Gefühl, eine Inszenierung vorgesetzt bekommen zu haben, Bilder, die den wahren Ablauf des Geschehens verdeckten. Aber er wusste nicht, woher dieses Gefühl kam, er konnte es nicht begründen. Und es überraschte ihn, dass Gina das bemerkt hatte.
»Wir ermitteln in alle Richtungen, dann sehen wir, wie sich das kanalisiert.« Er wandte sich an Buchholz. »Habt ihr die Schlüssel gefunden?«
Der Leiter der Spurensicherung blickte auf. Er sah müde aus, die Augen gerötet, auf den Wangen und dem sonst glattrasierten Schädel sprossen Stoppeln. »Bis jetzt nicht. Wir sind aber noch nicht fertig. Meine Leute sind seit sieben wieder vor Ort, der Suchtrupp hat vor anderthalb Stunden mit seiner Arbeit begonnen. Sollen wir Taucher nach dem Auto suchen lassen?«
Dühnfort nickte. »Sie sollen mit dem Uferbereich in der Nähe des Hauses beginnen.«
Dann wandte er sich an Ursula Weidenbach. »Sicher haben Sie schon erste Ergebnisse für uns.«
Die Rechtsmedizinerin öffnete den schmalen Hefter, der vor ihr lag und legte die Hände auf den Tisch. »Die Leiche ist in keinem guten Zustand, die Verwesung ist bereits fortgeschritten und eine exakte Todeszeitbestimmung daher unmöglich. Mit der Todesursache tun wir uns ebenfalls schwer. Es gibt bis auf eine kleine Platzwunde am Hinterkopf und die wundgescheuerten Handgelenke keine Verletzungen. Die toxikologischen
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