In weißer Stille
aus der Küche beleuchtete das Tischchen. Während er ein Käsebrot aß und das Glas Wein leerte, fragte er sich, ob er für den Rest seines Lebens alleine bei seinen Mahlzeiten sitzen würde. Etwas in ihm zog sich schmerzhaft zusammen. Er stand auf, ging in die Küche, suchte nach einer Eartha-Kitt-CD und legte sie in den Player. Im selben Moment klingelte es an der Wohnungstür. Vielleicht Agnes, dachte er, obwohl sie gewöhnlich vorher anrief. Aber es war Gina.
»Kann ich reinkommen? Ich will zwei Dinge mit dir besprechen.«
Dühnfort ließ sie ein und bot ihr ein Glas Wein an. »Hast du schon etwas gegessen?«
»Nein. Danke. Ich mag auch nichts. Aber lass dich nicht stören.«
Sie gingen auf den Balkon. Gina setzte sich zu ihm und zog die Jacke enger um die Schultern.
»Bertram ist vorbestraft, und er steht kurz davor, sein Haus zu verlieren.«
Dühnfort spülte ein Stück Brot mit Wein herunter und fragte sich, was Gina wirklich wollte.
»Das mit den Scheinfirmen hat er ziemlich tricky eingefädelt. Ich meine, er ist nicht dumm. Wenn er tatsächlich unser Mann ist, dann war ihm klar, dass er einen erstklassigen Verdächtigen abgeben würde. Vielleicht hat er das Album gekannt und benutzt, um uns vom wahren Motiv abzulenken.«
Aus der Küche erklang Eartha Kitts Stimme, wie Sandpapier auf Kirschholz.
I wanna be wicked, I wanna tell lies, I wanna be mean, and throw mud pies.
Da war etwas dran, aber deswegen würde Gina ihn nicht abends daheim aufsuchen. Im Halbdunkel konnte er ihre Augen mehr ahnen als sehen. Sie wandte den Blick ab, griff nach ihrem Weinglas und trank es mit einem Schluck halbleer.
»Was ist los, Gina?«
I wanna be nasty, I wanna be cruel, I wanna be daring, I wanna shoot pool.
Sie kräuselte den Mund. »Und damit komme ich zu zweitens.« Kurz zog sie die Unterlippe unter die Schneidezähne, dann atmete sie aus. »Morgen früh checke ich in Großhadern ein. Kleiner Kurzurlaub. Das wollte ich dir schon den ganzen Tag sagen. Am Montag habt ihr mich wieder.«
»Du musst ins Krankenhaus? Schlimm?«
Ihre Kiefermuskulatur verspannte sich. »Tumorverdacht.«
Dühnfort fuhr zusammen, legte dann den Arm um sie und zog sie an sich. Sie roch gut, irgendwie nach Apfelkuchen, und dieser Geruch erinnerte ihn an seine Kindheit, an seine Großeltern im Alten Land bei Hamburg, an Apfelbäume und unbeschwerte Sommer. »He«, sagte er. »Ein Verdacht muss sich ja nicht bestätigen.«
»Das hat die Urologin auch gesagt.« Gina machte sich von ihm los. »Zuerst hat sie während der Blasenspiegelung blöde Witze gemacht, von wegen rumpritscheln und so, aber dann war sie plötzlich still. Und als sie dann endlich den Mund wieder aufgemacht hat, war sie echt nervös. Tumorverdacht, das muss ja nichts bedeuten, aber zack hat sie im Krankenhaus einen Termin für mich ausgemacht. Besser nicht lange warten. Aber der absolute Hammer war, wie sie sich von mir verabschiedet hat.Sie nimmt meine Hand, so, weißt du.« Gina nahm seine Hand und umfasste sie mit ihren. »Dann tiefer Blick in die Pupille.
Ich wünsche Ihnen alles Gute.
Tremolo in der Stimme. Da habe ich es gewusst … Ich hab eine Scheißangst … Chemo, Glatze, langsames Krepieren … Weißt du, ich habe noch was vor. So richtig spießige Sachen, wie den Mann fürs Leben finden, heiraten, Kinder kriegen.« Sie ließ seine Hand los.
»Mach dich nicht verrückt. Es ist ein Verdacht. Hast du Beschwerden?«
»Nee. Nur ein paar Moleküle Blut im Urin. Deswegen hat meine Hausärztin so einen Aufstand gemacht. Aber das geht schon seit Monaten so und ist mit nichts wegzukriegen.«
»Das klingt nicht so, als wäre es wirklich schlimm.«
»Und ich habe natürlich heute Nachmittag doch gegoogelt, obwohl ich mir vorgenommen hatte, genau das nicht zu tun. Scheiße.« Sie atmete scharf aus.
»Im Internet steht so viel Mist. Hast du auch nach gutartigen Blasentumoren gesucht?«
Gina blickte überrascht auf.
»Dann holen wir das jetzt nach. Oder?«
Fascinating man, ain’t you got no girl to love?
D ONNERSTAG , 16 . O KTOBER
So, nun hatte sie das ganze Repertoire an Gefühlen durch. Nach Ärger, Sorge und Angst war sie jetzt bei Wut angelangt. Nein, verdammt noch mal, sie würde nicht anfangen, Krankenhäuser anzurufen. Wäre Albert etwas zugestoßen, hätte sie das längst erfahren. Er benahm sich einfach rücksichtslos. Das Handy hatte er ausgeschaltet, in der Praxis war er nicht und auch nicht in der Wohnung seines Vaters. Jedenfalls ging er an
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