In weißer Stille
kaufte er ein Schälchen Tiramisu für Gina und für sich ein Camembertsandwich, das er während der Fahrt nach Großhadern aß.
Als er vor Ginas Zimmer stand, zögerte er einen Moment, trat dann aber ein. Sie schlief und sah erschreckend bleich aus. Ein Infusionsständer stand neben dem Bett. Aus einem Plastikbeutel tropfte eine farblose Flüssigkeit in einen Schlauch, der in eine Infusionsnadel an Ginas Handrücken mündete. Am Bett hing ein weiterer Beutel, in den eine blutige Flüssigkeit lief. Der dazugehörende Schlauch verschwand unter der Bettdecke.
Dühnfort setzte sich leise auf den Stuhl neben dem Bett. Er wollte Gina nicht wecken, aber das Holz knarrte. Sie schlug die Augen auf. Einen Moment irrte ihr Blick orientierungslos durch den Raum, bis er Dühnfort fand. Ein schwaches Grinsen erschien auf ihrem Gesicht. Sie hob die rechte Hand ein Stück in die Höhe und zeigte mit Zeige- und Mittelfinger das Victory-Zeichen. Dühnfort war erleichtert. »Wie geht es dir?«
»Ehrlich? Ich fühl mich ziemlich scheiße. Ich habe die Narkose nicht vertragen. Meinen Blutdruck überhaupt so zu nennen, grenzt an Hochstapelei.« Sie ließ den Kopf zurück aufs Kissen sinken.
»Ist alles gut gelaufen?«
Sie nickte. »Keine blaue Grotte. Und von dem Böbbel am Harnleitereingang haben sie eine Probe genommen.« Sie schloss die Augen und wirkte erschöpft.
Dühnfort holte das Schälchen Tiramisu aus der Tüte und stellte es auf das Nachtkästchen.
Gina öffnete ein Auge. »Lecker, das ist genau, was ich jetzt brauche. Und einen ordentlichen Kaffee dazu. Holst du mir einen von dem Kiosk da vorne? Der hier auf der Station ist echte Plörre.«
»Aber gerne.« Er stand auf und verließ das Zimmer. Als er die Station wieder betrat, in jeder Hand einen Kaffeebecher, lief ihm Schwester Christine über den Weg. Sie stutzte, als sie den Kaffee sah. »Der ist jetzt nicht für Frau Angelucci. Sie darf erst ab sechzehn Uhr etwas essen.«
»Weshalb?«
»Nach der Narkose könnte ihr davon übel werden.«
»Aber bei niedrigem Blutdruck kann das doch nicht verkehrt sein.«
»Nur so lange, bis sie das Bett vollkotzt.«
»Wenn das passiert, dann beziehe ich es neu«, sagte Dühnfort verärgert.
»Das möchte ich sehen«, erwiderte Schwester Christine. »Also gut, wenn es sein muss. Aber dann soll sie ihn langsam trinken.«
Als er das Zimmer wieder betrat, hatte Gina das Kopfende des Bettes mit der Fernbedienung höher gestellt. »Ah, ich sehe, du bist gut an dem Zerberus vorbeigekommen.« Sie griff nach dem Becher und trank einen Schluck. Dühnfort setzte sich und sah ihr zu. »Ich spüre förmlich, wie mein Blutdruck steigt.« Sie stellte den Becher auf das Nachtkästchen.
»Was macht deine Hand?«
»Geht schon.«
»Und der Fall? Seid ihr weitergekommen?«
»Es gibt Indizien gegen Bertram, aber als wir ihn heute Morgen zur Vernehmung abholen wollten, haben wir ihn tot aufgefunden. So wie es aussieht, hat er sich erschossen.«
»Merde«, sagte Gina. »Das macht es auch nicht leichter.« Sie lächelte. »Sorry, das ist deine Vokabel.« Sie griff nach dem Kaffeebecher und nahm einen großen Schluck. »Wie seid ihr auf ihn gekommen?«
Dühnfort erklärte ihr die Sache mit den Fahrradspuren, merkte aber bald, dass es sie zu sehr anstrengte, ihm zu folgen. »Ruh dich aus«, sagte er.
»Am Montag bin ich wieder da. Versprochen.«
Dühnfort lächelte ihr aufmunternd zu, bevor er ihr Zimmer verließ, und fuhr dann mit der U-Bahn zurück zum Präsidium. Er suchte Alois auf, um zu erfahren, was die Hausdurchsuchung bei Bertram ergeben habe.
»Nicht das Schwarze unterm Fingernagel.« Alois hob die Hände. »Aber das war ja auch nicht zu erwarten. So dumm, Beweise bei sich aufzubewahren, war er sicher nicht. Er wird die Schlüssel, Geldkarten und die Uhr weggeworfen haben.«
»Mir gefällt das nicht.« Dühnfort setzte sich an Ginas Schreibtisch.
»Dass er uns die Beweise nicht auf dem Silbertablett serviert?«
»Bertram war ein selbstherrlicher Mensch, einer, der sich in Szene setzt. So jemand hinterlässt einen Abschiedsbrief.«
»Er nicht.«
Dühnfort hob müde die Hände und stand auf. Wahrscheinlich waren seine Bedenken überflüssig. »Am Montag um neun Uhr machen wir Bestandsaufnahme in diesem Fall. Und dann sehen wir zu, dass wir ihn zu einem sauberen Abschluss bringen.«
Er stand auf und ging in sein Büro. Auf dem Schreibtisch fand er ein Protokoll Sandra Gottwalds, die mit den drei Prostituierten gesprochen hatte,
Weitere Kostenlose Bücher