In weißer Stille
Exfrau.«
* * *
Zunächst suchte Dühnfort das Notariat von Alexander Maybusch auf. Es befand sich in der Nähe des Müller’schen Volksbades in einem luxussanierten Jugendstilgebäude mit Blick auf die Isar. Als Dühnfort es wieder verließ, hatte er in Erfahrung gebracht, dass das Testament noch gar nicht eröffnet worden war und den Erben auch noch keine Kopien vorlagen. Die einzig existierende Kopie war Heckeroth senior zugeschickt worden. Maybusch hatte Dühnfort außerdem erklärt, dass Heckeroth seines Wissens niemanden über das neue Testament informiert hatte, um Streit und jegliche Diskussion zu seinen Lebzeiten zu vermeiden.
Dühnfort fuhr zum Wiener Platz und erreichte gegen halb zwölf die Galerie von Katja Rist. Bevor er sie betrat, atmete er durch. Es war nicht seine Schuld. Als er gestern mit Bertram gesprochen hatte, war nicht erkennbar gewesen, in welcher Verfassung dieser sich befunden hatte. Er war arrogant wie immer gewesen. An die Testamentskopie musste er erst nach dem Gespräch im Präsidium gelangt sein. Wenn er ihn gestern gleich festgenommenhätte … Aber dafür hatte er keinen Grund gehabt. Dühnfort gab sich einen Ruck und betrat die Galerie. Ein leises Klingeln ertönte. Katja Rist stand im schwarzen Kostüm im Ausstellungsraum und starrte die Wand an. Ein Bild lehnte an einer Trittleiter. Sie blickte sich um und zuckte kaum merklich zusammen, als sie Dühnfort erkannte. »Noch mehr Fragen?«
»Das auch.«
»Was noch?«
»Können wir in Ihr Büro gehen?«
Sie nickte und schritt voran. Das schwarze Kostüm stand ihr nicht, es ließ sie noch schmaler und blasser wirken.
»Sie sehen bedrückt aus«, sagte sie, als sie im Hinterzimmer auf dem weißen Sofa Platz genommen hatten. »Ist etwas passiert?«
»Ihr Exschwiegervater hat sein Testament geändert. Er hat Bertrams Anteil auf den Pflichtteil reduziert und außerdem verfügt, dass er davon nur den Ertrag erhält.«
Es dauerte einen Augenblick, bis sie verstand. »Aber dann kann er das Haus nicht halten. Und wenn er es verliert … Weiß er das denn schon?« Sie rutschte auf dem Sofa nach vorne bis auf die Kante, wie zum Sprung bereit. »Er ist doch nicht …« Sie hielt sich mit beiden Händen an der Sofakante fest. »Ihm ist doch nichts passiert?«
»Wir haben ihn heute Morgen in seinem Haus gefunden. So wie es aussieht, hat er sich erschossen.«
Katja Rist ließ sich aufs Sofa zurückfallen. Sie schlug die Hand vor den Mund. »Das ist jetzt kein Scherz. Mit so was scherzt man ja nicht.« Einen Augenblick später begann sie zu weinen.
Dühnfort stand auf und holte ein Glas Wasser von derKüchenzeile hinter dem Schreibtisch. Sie nahm es und trank einen Schluck.
»Frau Rist, ich bin auch noch aus einem anderen Grund hier. Es gibt Indizien gegen Bertram. Wir halten es für nicht ausgeschlossen, dass er seinen Vater umgebracht hat.«
»Was für Indizien denn? Er ist tot! Sie werden doch jetzt nicht gegen ihn ermitteln.« Sie wischte sich mit der Hand die Tränen weg.
»Ich möchte meine Frage von gestern wiederholen. War Bertram am Tag des Überfalls auf seinen Vater wirklich hier in der Galerie?«
Sie putzte sich die Nase und fuhr sich mit den Fingern durch die kurzen Haare, bevor sie die Hände im Schoß verschränkte. »Er war wirklich hier. Aber schon mittags.«
* * *
Todesnachrichten zu überbringen war Dühnfort ein Gräuel. Aber es gehörte nun mal zu seinen Aufgaben. Alberts Frau öffnete die Tür. Auch sie hatte sich bereits für die Beisetzung umgezogen. Er fragte, ob ihr Mann zu Hause sei. Die Tür eines Zimmers öffnete sich einen Spalt. Zwei Jungen in schwarzen Hosen und weißen Hemden lugten neugierig in den Flur.
»Er ist in seinem Arbeitszimmer. Ich hole ihn.« Sie nahm Dühnfort den Mantel ab und bot ihm Platz im Wohnzimmer an. Der Raum war in hellen Braun- und Cremetönen gehalten. Durch die Fenster schien die Sonne. Dühnfort konnte die Kaiserstraße ein Stück entlangblicken. Unter ihm reihten sich kleine Läden wie Perlen an einer Kette: eine Parfümerie, eine Bäckerei, ein Friseur. Ein Auto rollte langsam über den Asphalt. Sicherwar der Fahrer auf der Suche nach einem der raren Parkplätze. Albert kam, gefolgt von seiner Frau, herein. »Sie wollen mich sprechen?«
Dühnfort reichte ihm die Hand. »Es tut mir leid. Ich bringe keine guten Nachrichten.«
Albert setzte sich in einen Sessel. »Was ist passiert?«
Barbara Heckeroth nahm auf dem Sofa Platz und griff nach der Hand ihres
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