In weißer Stille
sowie eine Nachricht des Personalchefs mit der Aufforderung, zum Arzt zu gehen und die Verletzung, die er bei der Messerattacke davongetragen hatte, dokumentieren zu lassen. Dühnfort ließ das Blatt in den Papierkorb segeln. Dann schrieb ereinen Bericht zur Auffindung von Bertram Heckeroth. Es wurde bereits dämmrig, als er fertig war und nach Sandra Gottwalds Protokoll griff. Es barg keine Überraschungen. Aus der Perspektive dieser Frauen war Heckeroth ein harmloser Kunde gewesen. Gewalt gehörte nicht zu seinen sexuellen Phantasien.
Das Telefon klingelte. Dühnfort meldete sich. Es war Ursula Weidenbach, die nichts Außergewöhnliches bei der Obduktion von Bertrams Leiche festgestellt hatte. Das Ergebnis der toxikologischen Untersuchung und die Auswertung der Blut- und Urinproben würden am Montag vorliegen. Dühnfort dankte ihr, schaltete den PC aus und verließ sein Büro. Die Dunkelheit hatte sich schon über die Stadt gesenkt, bunte Lichter flirrten überall. Er ging zu Dallmayr und holte die Jakobsmuscheln ab.
* * *
Babs war kurz vorm Verzweifeln. Sie legte den Stift neben das Zeichenbrett und streckte den Rücken. Heute wollte ihr nichts gelingen, und das war weiß Gott kein Wunder. So viel Schmerz und Leid konnte man nicht einfach beiseiteschieben und dann weitermachen, als wäre nichts gewesen. Bertram hatte sich tatsächlich erschossen. Es war nicht zu glauben, und ein diffuses Gefühl, versagt zu haben, arbeitete in ihr wie ein schleichendes Gift. Aber wie hätte sie das verhindern können? Hätte Albert Bertram doch nur sofort seine Hilfe angeboten und nicht auf Carolines Rückruf gewartet.
Nachdem Dühnfort gegangen war, hatte Babs Albert tröstend in die Arme nehmen wollen, aber er hatte sie abgeschüttelt. »Wir müssen aufbrechen. Sonst kommen wir zu spät zu Vaters Beerdigung.« Auch danach hatte er ihr nicht die Möglichkeit gegeben, ihm beizustehen. Nachdem Leichenschmaus war er einfach verschwunden, vermutlich wieder in die Wohnung seines Vaters, um in den Erinnerungen an eine goldene Kindheit zu schwelgen. Sie verstand ihn. Trotzdem schmerzte die Zurückweisung, die Tatsache, dass Albert ihren Trost und ihre Hilfe nicht wollte, oder schlimmer noch, vielleicht beides anderswo fand. Diese Vorstellung war jedoch in der vergangenen Nacht in weite Ferne gerückt.
Als er gestern mit dem Rosenstrauß erschienen war, hatte er gesagt, dass er sich mit Bertram aussöhnen wollte. Er hatte den Streit wegen des Testaments verschwiegen und auch nicht erwähnt, dass er Caroline angerufen hatte, um zu überlegen, wie man Bertram helfen konnte. Hätte er all das vor ihr ausgebreitet, wäre der Abend sicher anders verlaufen.
Sie hatten mit den Gin Tonics, die Albert gemixt hatte, im Wohnzimmer auf der Couch gesessen und sich dabei gelöst unterhalten wie schon lange nicht mehr. Ihr war eine zentnerschwere Last von der Seele gefallen, und die damit einhergehende Leichtigkeit hatte sie richtig albern werden lassen. Als sie ins Schlafzimmer gegangen waren und Albert sich mit dem Verschluss ihres BHs abgemüht hatte, hatte sie gekichert wie ein Teenager. Auch über die Art, wie er seine Socken von den Füßen streifte, hatte sie gelacht, bis die Tränen gekommen waren. Vermutlich waren zwei Gin Tonics zu viel des Guten gewesen. Egal. Sie hatte eine tolle Nacht gehabt und war erfrischt und ausgeruht aufgewacht wie seit Wochen nicht mehr.
Und dann diese schreckliche Nachricht. Warum nur hatte Bertram nach dem Testament gesucht? Er musste doch ohnehin warten, bis es eröffnet wurde. Hatte er etwas Schriftliches für das Finanzamt gebraucht, um dieZwangsversteigerung noch zu stoppen? Womöglich. Und dann hatte er den geänderten
Letzten Willen
gefunden, und eine Welt war für ihn zusammengebrochen. Er musste in Panik geraten sein. Vermutlich hatte er nicht mehr klar denken können. Nur wenige Minuten nachdem Albert die Wohnung des Vaters verlassen hatte, musste er dort eingetroffen sein. Wäre Albert noch da gewesen, dann hätte Bertram nicht nach dem Testament suchen können. Und dann wäre das nicht passiert.
Babs stand auf. Sie konnte so nicht weiterarbeiten. Außerdem fuhren die Jungs morgen ins Besinnungslager, und sie musste die Sachen dafür herrichten. In einer halben Stunde würden sie nach Hause kommen. Die Nachricht von Onkel Bertrams Tod hatte sie mehr getroffen, als Babs vermutet hätte. Trotzdem hatten sie am Nachmittag ihre Verpflichtungen eingehalten, hatten erst Frau Katzameier vorgelesen und
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