In weißer Stille
Mannes.
»Hat Ihr Vater Ihnen erzählt, dass er das Testament vor kurzem geändert hat?«
»Nein. Vater nicht. Aber Bertram hat mich gestern Abend angerufen. Er war außer sich.«
»Wie ist er an das Testament gekommen?«
»Wir haben alle einen Schlüssel zur Wohnung. Er muss dort gewesen sein und danach gesucht haben. So gegen acht Uhr hat er mich auf dem Handy angerufen und mich niedergebrüllt. Ich sei ein Erbschleicher und so weiter. Es hat einen Moment gedauert, bis ich verstanden habe, dass Vater offensichtlich das Testament doch geändert hat.«
»Wieso
doch
geändert? Wussten Sie, dass Ihr Vater das vorhatte?«
Albert fuhr sich durch die Haare. »Bertram kann mit Geld nicht umgehen. Als er wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde, hätte Vater ihn am liebsten enterbt. Aber das geht nicht. Also wollte er Bertram auf den Pflichtteil setzen. Das wäre eine Wohnung gewesen und etwas Bargeld. Von der Wohnung sollte er nur die Mieteinnahmen abzüglich der Unkosten erhalten. Doch Mutter war dagegen. Und nun, nach ihrem Tod, hat Vater das Erbe anscheinend doch noch so geregelt, wie er wollte.«
»Aber das bedeutet ja, dass Bertram sein Haus verliert. Dann bringt er sich um. Das hat er gesagt, und ichtraue ihm das zu.« Alberts Frau wurde bleich und hob die Hand zum Mund.
»Ich habe Caroline deswegen schon angerufen. Wir werden ihm helfen«, sagte Albert. »Irgendwie kriegen wir das hin.«
Aber Barbara Heckeroth achtete nicht auf die Worte ihres Mannes. Sie starrte Dühnfort an. »Deswegen sind Sie hier.«
Dühnfort nickte. »Es tut mir leid. Bertram hat sich heute Nacht erschossen.«
Albert stand auf und trat ans Fenster. »Das glaube ich einfach nicht. Warum hat er das getan? Wir wollten ihm doch helfen.«
»Hast du ihm das gesagt? Hat er das gewusst?« Seine Frau trat hinter ihn und legte ihm die Hand auf die Schulter.
Albert drehte sich um und schüttelte den Kopf. »Zuerst war ich so wütend … Ich habe einfach aufgelegt, als er mich beschimpft hat. Aber als ich dann in dem Blumenladen stand und die Rosen für dich gekauft habe, ist mir klar geworden, was das für Bertram bedeutet … ich weiß ja auch nicht, warum er an diesem verdammten Haus so hängt … Ich dachte, Caroline und ich sollten ihm helfen, und habe sie angerufen. Sie war aber nicht da. Also habe ich ihr eine Nachricht auf den Anrufbeantworter gesprochen.«
»Aber Ihren Bruder haben Sie nicht informiert?«
»Ich wollte das erst mit Caroline besprechen. Aber sie hat noch nicht zurückgerufen.«
Barbara setzte sich wieder aufs Sofa. »Vielleicht ist sie noch in Frankfurt. Hast du es auf dem Handy versucht?«
Albert schüttelte den Kopf. »Sie wollte gestern Abendwieder zu Hause sein. Ich konnte doch nicht ahnen, dass Bertram gleich durchdreht.«
»Hat Ihr Bruder wirklich gesagt, dass er sich umbringt, falls er das Haus verliert?«
Albert nickte. »Aber so was glaubt man ja nicht …« Er drehte dem Raum wieder den Rücken zu und starrte aus dem Fenster, seine Schultern zuckten.
Seine Frau trat hinter ihn. »Du hast es doch versucht.«
»Wissen Sie, woher Ihr Bruder die Waffe hatte, eine Ceska?«
Albert wandte sich um. »Ich wusste nicht mal,
dass
er eine hatte.«
»Aber er hat doch auf dem Sommerfest im letzten Jahr damit angegeben«, warf Barbara ein. »Das war schon im Morgengrauen, alle waren ziemlich angeheitert und haben wilde Geschichten erzählt. Bertram war ein paar Wochen vorher nach einem Kneipenbesuch in eine Schlägerei mit einem Russen oder Ukrainer geraten. Das weiß ich nicht mehr genau. Jedenfalls hat Bertram früher Aikido gemacht und seinen Widersacher schnell auf dem Boden gehabt. Dabei ist dem eine Pistole aus der Tasche gerutscht. Die hat Bertram einfach mitgenommen.«
Albert nickte. »Stimmt. Jetzt, wo du das erzählst, fällt es mir auch wieder ein.«
Das Telefon im Flur klingelte. »Ich gehe schon.« Barbara verließ den Raum.
Dühnfort erhob sich. »Ihre Schwester hat übrigens recht gehabt. Bertram hat uns ein falsches Alibi angegeben.«
»Was?« Albert ließ sich aufs Sofa fallen. Mit der Hand fuhr er sich übers Kinn. »Hat er einen Abschiedsbrief geschrieben?«
»Bisher haben wir keinen gefunden.«
Barbara kam zurück, das schnurlose Telefon so in der Hand, dass die Sprechmuschel bedeckt war. »Caroline ist dran. Was soll ich ihr denn sagen?«
* * *
Das Institut für Rechtsmedizin befand sich in der Nähe von Dühnforts Wohnung, in der Nussbaumstraße. Es war in einem Gebäude aus
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