In Zeiten der Flut
hat er nicht gesagt. Aber der Anwesenheitsliste nach zu schließen, sieht es ganz nach einer informellen Abteilungssitzung aus.«
»Na fabelhaft.«
»Im Sternensaal.«
»Sind Sie verrückt geworden?«
Korda war erst kürzlich gescannt worden und sah älter aus, ein wenig rosiger und aufgedunsener als zuvor; so sahen sie einen Arbeitskollegen also altem, in Sprüngen, so daß man im nachhinein dem Tod entgegengeflackert war. Mit leichtem Erschrecken wurde dem Bürokraten klar, wie lange es schon her sein mußte, daß er Korda zum letztenmal begegnet war. Das war ein Hinweis darauf, wie weit er in den vergangenen Jahren in seiner Gunst gesunken war. »Ach, so schlimm war es nicht«, sagte er.
Sie saßen um einen Konferenztisch herum, der seinen tiefen Mahagoniglanz jahrhundertelangem Polieren zu verdanken schien. Die fünfrippige Decke war gewölbt, und der Stuck zwischen den Holzstreben war dunkelblau, mit goldenen Sternen darauf. Es war ein melancholischer Raum, in dem es nach altem Leder und erlesenem Tabak roch, dazu gedacht, seine Benutzer in eine feierliche und gesammelte Stimmung zu versetzen. Außer Korda und Philippe waren noch Orimoto von der Buchhaltung, Muschg von der Analytischen Planung und eine alte verhutzelte Eule von einer Frau aus der Propagationsabteilung anwesend. Diese drei waren Staffage, allein dazu da, die erforderlichen Handcodes zur Verfügung zu stellen, falls ihre Kollegen aus der Technik eine Tiefensondierung für angebracht halten sollten.
Philippe beugte sich vor, ehe Korda fortfahren konnte. Er lächelte auf eine Art und Weise, die persönliche Wärme ausdrücken sollte, und sagte: »Wir stehen alle auf Ihrer Seite, das wissen Sie doch.« Er hielt inne, und sein Gesicht nahm einen Ausdruck gequälten Bedauerns an. »Trotzdem haben Sie uns mit Ihrer ... äh ... unglücklichen Erklärung ziemlich in Verlegenheit gestürzt.«
»Man hat mich reingelegt«, sagte der Bürokrat. »Na schön, ich geb's ja zu. Er hat mich aus der Fassung gebracht und dann mit dieser Kameracrew festgenagelt.«
Korda blickte finster auf seine verschränkten Hände hinunter. »Aus der Fassung gebracht. Sie waren außer sich.«
»Verzeihen Sie«, sagte Muschg. »Könnten wir uns den fraglichen Werbespot vielleicht ansehen?« Philippe hob eine Braue angesichts dieser beispiellosen Demonstration von Selbstständigkeit, so als habe ihn jemand am Ellbogen gepackt, um ihn zu kritisieren. Gleichwohl nickte er, worauf seine Aktentasche einen Fernseher auf den Tisch stellte. Auf dem Bildschirm erschien der Bürokrat, ein Mikrofon vor seinem rot angelaufenen Gesicht.
Ich werde ihn aufspüren und zur Strecke bringen. Ganz gleich, wo er ist. Er kann sich verstecken, aber er wird mir nicht entkommen!
Eine Stimme aus dem Off fragte: Stimmt es, daß er verbotene Technik entwendet hat? Und als er die Frage mit einem Achselzucken abtat: Können Sie uns sagen, warum er gefährlich ist?
»Jetzt kommt's«, sagte Korda.
Gregorian ist der gefährlichste Mann auf diesem Planeten.
»Zu dem Zeitpunkt stand ich unter erheblichem Stress ...«
Weshalb bezeichnen Sie ihn als den gefährlichsten Mann dieses Planeten? Gregorians hartgemeißeltes Gesicht füllte den Bildschirm aus. Was weiß dieser Mann, das man Ihnen vorenthalten will? Finden Sie es selbst heraus ... Korda schaltete ab.
»Hätte Gregorian Sie bezahlt, hätten Sie's nicht besser machen können.«
In das unbehagliche Schweigen hinein läutete ein Telefon. Die Aktentasche holte es aus einer Jackentasche hervor und hielt es dem Bürokraten hin. »Für Sie.«
Dankbar für die Unterbrechung, nahm der Bürokrat den Hörer entgegen und hörte seine eigene Stimme sagen: »Ich war im Flaschenladen. Kann ich berichten?«
»Schieß los.«
Er erfuhr folgendes:
In einem finsteren Korridor, der Neugiergasse genannt wurde, gelangte der Bürokrat zu mehreren kleinen Läden, deren Schaufenster mangels Kundschaft dunkel waren, und trat in einen gewöhnlichen Eingang. Ein Glocke läutete. Im Innern war es düster, in den zahllosen Regalen stapelten sich dickwandige, staubbedeckte Flaschen, deren Inhalt bis ins Paläolithikum zurückdatierte. In den Ecken schwebten vergoldete, herablassend lächelnde Kupidos.
Der Ladenbesitzer war eine simple Konstruktion, kaum mehr als ein Ziegenkopf mit einem Paar Handschuhe. Er neigte den Kopf und verschränkte unterwürfig die Hände. »Willkommen im Flaschenladen, Herr. Womit kann ich Ihnen dienen?«
»Ich suche nach etwas ... äh ...«
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