Incarceron
hierlassen, was auch immer die anderen von uns entscheiden. Sie ist gekommen, um uns zu retten.«
»Ihr Problem.« Keiros blaue Augen waren unbarmherzig. »Sie war einst selbst eine Gefangene, warum also nicht jetzt wieder? Ich gehe als Erster. Um herauszufinden, was da drauÃen auf uns wartet. Und wenn alles gut läuft, dann werde ich, wie gesagt, zurückkehren.«
»Lügner«, zischte Attia.
»Ihr könnt mich nicht aufhalten.«
Der Hüter lachte leise. »Ist das der Held, den du für Giles hältst, Claudia? Der Mann, der das Reich regieren soll? Er kann ja nicht mal diesen Haufen unter Kontrolle halten.«
Finn reagierte sofort. Er warf Claudia den Schlüssel zu und erwischte Keiro völlig unvorbereitet, als der nach seinem Schwert griff. Wut kochte in ihm hoch, Wut auf sie alle, auf das höhnische Grinsen des Hüters und auf die Angst und die Schwäche in ihm selbst. Keiro taumelte rückwärts, fing sich jedoch rasch wieder und riss das Schwert hoch. Einen Moment lang zerrten sie beide am Griff, dann hatte Finn ihn aus Keiros Griff gewunden.
Keiro zuckte nicht mit der Wimper, als die Schneide kurz vor seinem Gesicht aufblitzte. »Du würdest sie niemals gegen mich einsetzen.«
Finns Herz hämmerte. Seine Brust hob und senkte sich mühsam. Hinter ihm zischte Attia: »Warum nicht, Finn? Er hat die Maestra getötet. Das weiÃt du doch. Du hast es immer gewusst! Er war es, der die Brücke durchtrennt hat, nicht Jormanric.«
»Ist das wahr?« Beinahe erkannte Finn sein eigenes Flüstern nicht.
Keiro lächelte: »Du entscheidest selbst, was du glaubst.«
»Sag es mir.«
»Nein.« Sein Eidbruder hielt den Schlüssel in einer seiner
Fäuste. »Es ist deine Wahl. Ich rechtfertige mich vor niemandem.«
Finns Herzschlag war so heftig, dass es wehtat. Er erfüllte das Gefängnis, donnerte durch alle Flure und hallte in jeder Zelle.
Er warf das Schwert zu Boden. Als Keiro sich darauf stürzen wollte, stieà er es mit dem Fuà beiseite. Und mit einem Mal gingen sie aufeinander los. Keiro versetzte ihm einen solch gewaltigen Hieb in den Magen, dass er keine Luft mehr bekam. Auch sonst konnte er Keiros skrupelloser Kampftechnik nichts entgegensetzen, und er ging zu Boden. Claudia rief etwas, Gildas brüllte zornig, aber es war ihm jetzt egal. Er rappelte sich wieder auf, stürzte sich erneut auf Keiro und versuchte, an den Schlüssel zu kommen. Keiro wurde durch den zerbrechlichen Kristall in seinen Händen behindert und duckte sich zunächst nur, dann jedoch schlug er wieder zu; Finn schlang seine Arme um Keiros Taille und rang ihn zu Boden, aber Keiro verpasste ihm einen Tritt, der ihn rückwärts taumeln lieÃ. Keiro rollte herum und erhob sich schwerfällig. Blut quoll aus seiner Unterlippe.
»Nun, jetzt werden wir ja sehen, Bruder«, zischte er. Er berührte das schwarze Auge des Vogels.
Ein Licht.
Es war so gleiÃend, dass es in den Augen schmerzte.
Es breitete sich rings um Keiro herum aus und verschluckte ihn. Dann gab es ein Geräusch, ein Heulen, das schmerzhaft in den Ohren war; einen durchdringenden, unharmonischen Ton, der sofort wieder abbrach.
Das Licht erlosch.
Und Keiro war noch immer da.
Durch die erschütternde Stille schnitt das gelassene und bedauernde Lachen des Hüters. »Ach«, sagte er, »ich fürchte, das heiÃt, dass es bei dir nicht funktioniert. Wahrscheinlich verhindern die Metallkomponenten in deinem Körper den Prozess.
Incarceron ist ein in sich abgeschlossenes System; seine eigenen Elemente können das Gefängnis niemals verlassen.«
Keiro stand wie erstarrt da.
»Niemals?«, flüsterte er.
»Es sei denn, die Komponenten werden entfernt.«
Keiro nickte. Sein Gesicht war gerötet, ein grimmiger Ausdruck lag darauf. »Wenn es nur darum geht.« Er machte einen Schritt auf Finn zu und fügte hinzu: »Nimm dein Messer.«
»Wie bitte?«
»Du hast schon verstanden.«
»Das kann ich nicht tun.«
Keiro lachte bitter. »Warum denn nicht? Keiro, der Neunfingrige. Ich habe mich immer gefragt, was es mit dem Opfer von Sapphique eigentlich auf sich hatte.«
Gildas stöhnte. »Junge, willst du vielleicht andeuten â¦Â«
»Vielleicht hat das Gefängnis mehr von uns geboren, als wir glaubten. Dich vielleicht auch, alter Mann. Aber ich werde nicht zulassen, dass mich ein
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