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Incarceron

Incarceron

Titel: Incarceron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Fisher
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vorbeiziehen. Er sah Schmerz und Hunger, Freundschaften, wo man es kaum für möglich gehalten hätte, und brutale Geschäfte.
    Â»Dies ist das Gefängnis.« Der Hüter lehnte sich gegen den Schreibtisch. »All diese Bilder werden von Augen aufgezeichnet. Es ist die einzige Möglichkeit, Claudia zu finden.«
    Jared spürte, wie ein Gefühl entsetzlicher Qual von ihm Besitz
ergriff. In der Akademie hielt man das Experiment für eine der ruhmreichen Taten der uralten Sapienti, die aus edelster Gesinnung heraus die letzten Energiereserven der Welt geopfert hatten, um diejenigen zu retten, für die es keine Läuterung geben konnte: die Armen und die Verachteten. Und das alles hatte zu diesem Ergebnis geführt.
    Der Hüter beobachtete Jared, eine Silhouette vor den sich schnell verändernden Bildern. »Hier, Meister, seht Ihr, was sonst nur der Hüter zu Gesicht bekommt.«
    Â»Warum … Warum wurden wir nie darüber informiert …?«
    Â»Es gibt nicht genügend Energie. Diese Tausende von Menschen können nicht wieder zurückgeholt werden. Sie sind für uns verloren.« Er zog seine Uhr heraus und reichte sie Jared, der sie wie betäubt entgegennahm und betrachtete. Der Hüter deutete auf den Silberwürfel an der Kette.
    Â»Ihr seid jetzt gottgleich, Jared. Ihr haltet Incarceron in Euren Händen.«
    Jared spürte den Schmerz in seinem Innern pochen, und seine Hände bebten. Er wollte den Würfel auf den Boden legen, einen Schritt zurück machen und davonlaufen. Winzig war der Würfel, und er hatte ihn schon unzählige Male an der Uhrkette baumeln sehen, ohne ihm große Beachtung zu schenken. Doch jetzt erfüllte er ihn mit Ehrfurcht. War es wirklich möglich, dass sich dort eingeschlossen die Berge befanden, die er gesehen hatte, die Wälder mit den Silberbäumen, die Städte mit den zerlumpten Menschen, die sich gegenseitig ihr Eigentum stahlen? Der Würfel lag auf seiner ausgestreckten Handfläche. Jared begann zu schwitzen, und der Hüter sagte leise: »Fürchtet Ihr Euch, Jared? Man muss stark sein, um eine ganze Welt anschauen zu können. Viele meiner Vorgänger haben es nie gewagt hinzusehen. Sie haben immer ihre Augen abgewendet.«
    Ein leises Pling war zu hören.

    Beide schauten auf. Der Bildschirm flackerte nicht mehr. Während sie zusahen, glitten die Bilder seitlich weg, und nur ein einziges, das rechts unten in der Ecke zu sehen gewesen war, wurde Pixel für Pixel größer, bis es den ganzen Bildschirm ausfüllte.
    Claudia.
    Bebend legte Jared die Uhrenkette und den Würfel auf den Tisch.
    Claudia sprach mit den Gefangenen. Jared erkannte den jungen Finn und auch den anderen, Keiro, der sich mit dem Rücken gegen eine Steinmauer lehnte und lauschte. Gildas kauerte in der Nähe; Jared bemerkte sofort, dass der alte Mann verletzt war. Attia stand neben ihm.
    Â»Könnt Ihr mit ihnen sprechen?«
    Â»Kann ich«, sagte der Hüter. »Aber zuerst hören wir zu.«
    Er öffnete einen Kanal.

33
    Welchen Nutzen hat ein einziger Schlüssel
für eine Milliarde Gefangene?
    LORD CALLISTONS TAGEBUCH
    Â 
    Â 
    I ncarceron hat versucht, mich davon abzuhalten, euch zu finden«, rief Claudia.
    Sie lief durch den schummrigen Korridor auf Finn zu.
    Â»Du hättest niemals hereinkommen sollen.« Finn fühlte sich befangen. Claudia wirkte so fehl am Platz, und sie brachte einen Duft von Rosen und von merkwürdig frischer Luft mit sich, der eine süße Qual für ihn war. Er hatte das Gefühl, ein Jucken in seinem Geist lindern zu müssen, doch stattdessen fuhr er sich nur müde mit einer Hand über die Augen.
    Â»Komm mit mir zurück.« Sie machte eine einladende Geste. »Komm schnell!«
    Â»Ihr wartet noch eine Minute«, unterbrach Keiro sie. »Ohne mich geht er nirgendwohin.«
    Â»Und auch nicht ohne mich«, murmelte Attia.
    Â»Ihr könnt alle mitkommen. Das muss möglich sein.« Dann verdüsterte sich ihre Miene.
    Finn fragte: »Was ist los?«
    Claudia biss sich auf die Lippe. Plötzlich erinnerte sie sich wieder daran, dass sie keine Ahnung hatte, wie sie das bewerkstelligen
sollte. Es hatte auf dieser Seite kein Portal gegeben, keinen Stuhl und kein Kontrollfeld. Sie hatte sich selber einfach in einer leeren Zelle wiedergefunden. Und nicht einmal dorthin zurück würde sie den Weg finden, falls der Ort

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