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Incarceron

Incarceron

Titel: Incarceron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Fisher
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Blütenblättern gefüllten Töpfchen.
    Â 
    Claudia überließ den Bediensteten die Arbeit und huschte hinaus. Während sie den Flur entlangging, hielt sie anmutig ihr Kleid gerafft, doch als sie die geschwungene Treppe aus Eichenholz erreicht hatte, konnte sie sich nicht mehr zügeln und stürmte hinauf. Auf einem Treppenabsatz schlüpfte sie durch eine dort verborgene Tür und ließ allen erdenklichen Luxus hinter sich. Nun lagen die kalten, grauen Flure der Dienstbotenquartiere vor ihr. Die kahlen Wände waren übersät mit Drähten, Kabeln und Steckdosen, und überall gab es kleine Bildschirme und Stimmerkenner.
    Die Hintertreppe war aus Stein. Claudia stapfte die Stufen hinauf und öffnete die schallgedämpfte Tür, um hinaus auf einen prachtvollen, äragetreuen Gang zu treten. Zwei Schritte weiter lag ihr eigenes Schlafgemach.

    Die Dienstmädchen hatten es bereits geputzt. Sie verriegelte die Tür doppelt, schaltete alle Sicherheitsblockaden ein und lief hinüber zum Fenster.
    Grün und eben breiteten sich dort unten die Rasenflächen aus und leuchteten satt im herbstlichen Sonnenschein. Der Gärtnerjunge, Job, schlenderte mit einem Sack und einem angespitzten Stock umher, um herabgefallene Blätter aufzuspießen. Zwar konnte Claudia die winzigen Musikimplantate in seinen Ohren mit dem bloßen Auge nicht erkennen, aber Jobs ruckartige Bewegungen und plötzlichen Ausfallschritte brachten sie zum Lächeln. Sollte der Hüter ihn jedoch ertappen, würde er ihn unverzüglich entlassen.
    Claudia wandte sich zurück und zog die Schublade ihres Garderobentischchens auf, nahm einen MiniCom heraus und aktivierte ihn. Das Display leuchtete auf und zeigte ihr das Spiegelbild ihres eigenen Gesichts, das von einem gewölbten Glas geradezu grotesk verzerrt wurde. Erschrocken flüsterte sie: »Meister?«
    Ein Schatten. Zwei riesige Finger und ein Daumen näherten sich und schoben den Destillierkolben beiseite. Dann nahm Jared vor dem verborgenen Empfangsgerät Platz.
    Â»Ich bin hier, Claudia.«
    Â»Ist alles vorbereitet? Sie werden in wenigen Minuten ausreiten.«
    Der Ausdruck auf Jareds schmalem Gesicht verdüsterte sich. »Ich mache mir Sorgen. Vielleicht funktioniert die Disc nicht. Wir brauchen noch weitere Tests …«
    Â»Dazu bleibt uns keine Zeit mehr. Ich werde heute hineingehen. Und zwar jetzt gleich.«
    Er seufzte. Sie wusste, dass er weitere Einwände erheben wollte, doch trotz all ihrer Vorsichtsmaßnahmen war es denkbar, dass sie belauscht wurden, sodass jedes Wort zu viel durchaus gefährlich
werden könnte. Also murmelte Jared lediglich: »Bitte, sieh dich vor.«
    Â»So, wie du es mir beigebracht hast, Meister.« Für einen kurzen Moment kam ihr die Drohung des Hüters in den Sinn, Jared fortzuschicken, aber es blieb ihr jetzt keine Zeit mehr, darüber nachzugrübeln. »Fang an«, sagte sie und unterbrach die Verbindung.
    Â 
    Ihr Schlafzimmer war in dunklem Mahagoniholz gehalten; das große Himmelbett war mit roten Vorhängen zugehängt, die mit dem schwarzen, singenden Schwan bestickt waren. Dahinter befand sich etwas, das wie eine kleine Garderobe aussah, welche in die Wand eingelassen worden war. Doch als Claudia durch diese Illusion hindurchtrat, landete sie in einem Badezimmer, das jede nur denkbare Annehmlichkeit bot  – selbst die Strenge des Hüters, was die Einhaltung des Protokolls anging, kannte Grenzen. Claudia stellte sich auf den Toilettendeckel und lugte durch das schmale Fenster hinaus, wobei sie sonnenbeschienene Staubflocken aufwirbelte.
    Sie konnte in den Hof hinabschauen. Drei Pferde waren gesattelt; ihr Vater stand am Kopf des einen und ließ seine behandschuhten Hände auf den Zügeln ruhen. Mit einem Seufzer der Erleichterung sah Claudia, wie sein Sekretär, der düster dreinblickende, wachsame Mann namens Medlicote, auf die graue Stute stieg. Dahinter wurde Lord Evian gerade von zwei schwitzenden Stallburschen in den Sattel gehievt. Claudia fragte sich, wie viel seiner komischen Unbeholfenheit er nur vortäuschte und ob er darauf gefasst gewesen war, auf echten Pferden anstelle von Cyberhengsten reiten zu müssen. Evian und Claudias Vater spielten ein ausgeklügeltes, todernstes Spiel, bei dem es um Benimmregeln und Affronts, Verärgerungen und Fragen der Etikette ging. Es langweilte sie, aber so funktionierte die

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