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Incarceron

Incarceron

Titel: Incarceron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Fisher
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Lordschaft und ich werden heute Morgen ausreiten, Claudia, und wir werden um Punkt ein Uhr ein kurzes Mittagsmahl zu uns nehmen. Danach werden wir unsere Verhandlungen fortsetzen.«
    Bei denen es um meine Zukunft geht , dachte Claudia, nickte jedoch nur und bemerkte dabei das Unbehagen des fetten Lords. Er konnte kein solcher Dummkopf sein, wie es den Anschein hatte, denn ansonsten hätte ihn die Königin wohl kaum als Unterhändler geschickt. Außerdem waren ihm, ganz gegen seinen Willen, einige verräterisch kluge Bemerkungen entschlüpft. Ganz sicher allerdings war er kein leidenschaftlicher Reiter.
    Der Hüter war sich darüber ganz bestimmt im Klaren. Claudias Vater hatte manchmal einen sehr boshaften Humor.
    Als Claudia aufstand, erhob er sich ebenfalls in ausgesuchter Höflichkeit und zog eine kleine, goldene Taschenuhr an einer Kette heraus, deren Ziffern leuchteten. Es war eine wunderschöne Uhr, die auf die Sekunde genau ging und kein bisschen dem Protokoll entsprach. Das waren die beiden einzigen Verschrobenheiten, die er sich gönnte: die Uhr an der Kette und der winzige, silberne Würfel, der daran befestigt war.
    Als er wieder hochblickte, sagte er: » Wärst du so freundlich zu läuten, Claudia? Ich fürchte, wir haben dich lange genug von deinen Studien ferngehalten.«
    Raschen Schrittes lief Claudia zu dem grünen Klingelzug neben dem Kamin, während ihr Vater, ohne den Kopf zu heben, fortfuhr: »Ich habe vorhin im Garten mit Meister Jared gesprochen.
Er sah sehr blass aus. Wie ist es dieser Tage um seine Gesundheit bestellt?«
    Ihre Finger erstarrten kurz vor der Klingelquaste. Dann griff sie beherzt zu und antwortete: »Es geht ihm gut, Vater. Ganz ausgezeichnet.«
    Der Hüter verstaute die Uhr wieder in seiner Tasche. »Ich habe nachgedacht. Du wirst nach deiner Eheschließung keinen eigenen Lehrer mehr brauchen, und außerdem gibt es bei Hofe etliche Sapienti. Vielleicht sollten wir Jared gestatten, an die Akademie zurückzukehren.«
    Claudia war kurz davor, ihrem Vater im halb blinden Spiegel einen entsetzten Blick zuzuwerfen, aber das wäre genau die Reaktion gewesen, die er erwartet hatte. Deshalb verzog sie keine Miene und erwiderte leichthin: »Ganz, wie du wünschst. Natürlich würde ich ihn vermissen. Wir beschäftigen uns gerade mit den Havaarna-Königen, was ausgesprochen faszinierend ist. Meister Jared weiß alles, was man über sie wissen muss.«
    Die schwarzen Augen ihres Vaters musterten sie eindringlich.
    Wenn sie nur ein einziges weiteres Wort sagte, würde das wahre Ausmaß ihres Bedauerns offenkundig werden, und damit wäre die Entscheidung des Hüters besiegelt. Draußen flatterte eine Taube auf das Dach. Lord Evian erhob sich schwerfällig.
    Â»Nun, Hüter, wenn Ihr Jared Sapiens wegschickt, dann wird eine andere Familie ihn sich sofort schnappen. Er ist im ganzen Reich bekannt und kann jeden beliebigen Lohn verlangen. Poet, Philosoph, Erfinder und Genie. Ihr solltet an ihm festhalten, Sir.«
    Claudia lächelte zustimmend, aber im Innern war sie erstaunt. Es war, als ob der unangenehme Mann in seinem blauen Seidenanzug wusste, was sie nicht aussprechen durfte. Er erwiderte ihr Lächeln, und seine kleinen Augen funkelten.
    Die Lippen des Hüters waren fest zusammengepresst. »Ich bin mir sicher, dass Ihr recht habt. Wollen wir aufbrechen, Mylord?«

    Claudia deutete einen Knicks an. Als ihr Vater Evian nach draußen folgte und sich an der Doppeltür noch einmal umdrehte, um sie hinter sich zu schließen, trafen sich ihre Blicke. Mit einem Klicken schlossen sich die Flügel.
    Claudia seufzte erleichtert. Er hatte sie angesehen, wie eine Katze eine Maus beäugt. Alles, was sie sagte, war: »Jetzt, bitte.«
    Im selben Augenblick glitten die Wandpaneele zur Seite. Dienstboten  – Männer und Frauen  – stürzten hervor und begannen eilends, Teller, Platten, Kerzenleuchter, Blumengestecke, Gläser, Servietten, die Schüsseln mit dem Fischgericht und die Obstschalen abzuräumen. Die Fenster schnappten auf, niedergebrannte Kerzen wuchsen von selbst nach; das prasselnde Feuer im offenen Kamin, der mit Scheiten gut gefüllt war, verschwand, ohne dass eine Spur der Holzklötze zurückblieb. Staub verflüchtigte sich; die Vorhänge wechselten ihre Farbe. In der Luft hing mit einem Mal der liebliche Geruch von mit duftenden

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