Incarceron
boshaft zu Claudia hinab; der Hals war in trotziger Haltung gereckt, und die Flügel waren weit gespreizt. Sein winziges Auge funkelte, als wäre es ein Diamant oder ein dunkler Opal.
Vermutlich war es eher ein Guckloch, dachte Claudia.
Angespannt hob sie Jareds Disc und hielt sie vorsichtig an die Tür, wo sie mit einem metallischen Klicken haften blieb.
Das Gerät surrte. Dann gab es ein leises Heulen von sich, das sich in Höhe und Stärke fortwährend veränderte, als ob es die aufwendige Kombination des Verschlussmechanismus entlang der gesamten Tonleiter zu finden versuchte. Jared hatte sich in geduldigen Vorträgen über die Funktionsweise ergangen, aber Claudia hatte ihm nicht richtig zugehört.
Ungeduldig trat sie von einem Fuà auf den anderen. Dann blieb sie wie erstarrt stehen.
Jemand kam mit leichtem, tippelndem Schritt die Treppe hochgehastet. Vielleicht war es eines der Zimmermädchen, obwohl sie gegenteilige Anweisungen bekommen hatten. Claudia presste sich tiefer in den Türvorsprung, fluchte im Stillen und traute sich kaum zu atmen.
Genau hinter ihrem Ohr gab die Disc ein leises, zufriedenstellendes Schnappgeräusch von sich.
Sofort wirbelte Claudia herum, öffnete die Tür, riss eilends mit der Hand die Disc herunter und war innerhalb von Sekunden im Raum verschwunden.
Als das Zimmermädchen, den Arm voller Bettzeug, vorbeihastete, sah die Tür dunkel und abweisend verschlossen wie eh und je aus.
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Langsam löste sich Claudia von dem Guckloch und stieà erleichtert die Luft aus. Dann versteifte sie sich, und ihre Schultern verkrampften sich. Es überfiel sie das seltsame, Furcht einflöÃende Gefühl, dass der Raum hinter ihr nicht leer war, sondern dass ihr Vater in ihrem Rücken stand, nahe genug, sie zu berühren, ein bitteres Lächeln auf seinem Gesicht. Mit einem Mal fürchtete sie, dass der Reiter, den sie gesehen hatte, nichts als das Hologramm des Hüters gewesen war und dass er einmal mehr ihre Schritte vorausgeahnt hatte.
Sie zwang sich dazu, sich herumzudrehen.
Der Raum war leer. Aber sie fand etwas völlig anderes vor, als sie erwartet hatte.
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Vor allem war das Arbeitszimmer viel zu groÃ.
Und es war ganz und gar nicht ärakonform.
AuÃerdem war es schräg.
Jedenfalls glaubte sie das einen Moment lang, denn die ersten Schritte, die sie weg von der Tür machte, waren seltsam unsicher,
als ob der Boden unter ihren FüÃen in Schräglage geraten wäre oder als ob die kahlen, grauen Wände in seltsamen Winkeln aufragen würden. Kurz verschwamm alles vor ihren Augen, dann hörte sie ein Klicken, und mit einem Mal schien sich der Raum langsam wieder geradezurücken und zu normalisieren, abgesehen von der Wärme, einem schwachen, süÃlichen Geruch und einem leisen Summen, das Claudia nicht richtig einordnen konnte.
Die Decke war hoch und gewölbt. Glatte, silberne Geräte waren an den Wänden angebracht, und auf allen blinkten kleine, rote Lichter. Eine schmale Leuchte erhellte nur den unmittelbar daruntergelegenen Bereich, sodass ein einzelner Schreibtisch und ein sorgsam davor platzierter Metallstuhl zu erkennen waren.
Der Rest des Raumes war leer. Ein winziger, schwarzer Fleck war das einzig Störende auf dem makellos sauberen FuÃboden. Claudia bückte sich und besah sich das Stückchen genauer. Es war ein Metallsplitter, der vermutlich von irgendeinem Gerät herabgefallen war.
Erstaunt und noch immer nicht gänzlich davon überzeugt, dass sie allein im Raum war, schaute Claudia sich um. Wo waren die Fenster? Es sollte zwei davon geben, jeweils in einen Erker eingelassen. Von auÃen konnte man sie sehen und dahinter eine weià verputzte Decke sowie einige Bücherregale erahnen. Wie oft hatte sich Claudia vorgestellt, wie sie am Efeu emporkletterte, um durchs Fenster einzusteigen. Von auÃen wirkte das Arbeitszimmer ganz normal, nicht wie diese surrende, geneigte Schachtel, die viel mehr Platz als eigentlich möglich einnahm.
Vorsichtig wagte sich Claudia weiter in den Raum hinein und umklammerte Jareds Disc, aber diese zeigte keine Warnungen an. Als sie beim Schreibtisch angekommen war, streckte Claudia die Hand aus und strich über die glatte Oberfläche, die keinerlei Vertiefungen aufwies. Lautlos schob sich ein Bildschirm heraus,
der keinerlei sichtbare Bedienfelder hatte. Sosehr Claudia auch danach suchte, sie fand keine, woraus
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