Incarceron
rostigen Fesseln zu befreien. Die scharfe Klinge spaltete die Kettenglieder schon beim ersten Schlag. Finn sah in braune Augen; sie blitzten aus den Lumpen hervor, die um den Kopf gewickelt worden waren.
»Komm weg! Er ist ansteckend.« Keiro drängte sich an Finn vorbei, zuckte zusammen, als ein Feuerstrahl gegen die Decke schoss, und war mit einem Satz auf der Leiter. Bereits Sekunden später kletterte er pfeilschnell empor, hinauf in die Dunkelheit.
»Er hat recht«, sagte Gildas ernst. »Der Sklave wird uns nur aufhalten.«
Finn zögerte. In dem allgemeinen Durcheinander, dem heulenden Alarm und den fallenden Stahlgittern schaute er zurück und fing den Blick des aussätzigen Sklaven auf, der ihn beobachtete. Aber es waren die Augen der Maestra, die er sah, und ihre Stimme war es, die er in seinem Kopf hörte.
Ich werde es nie mehr wagen, freundlich zu einem Fremden zu sein .
Kurz entschlossen bückte er sich, nahm die Kreatur auf seinen Rücken und begann mit dem Aufstieg.
Hoch über ihm kletterte Keiro, deutlich hörbar, weiter unten keuchte Gildas und murmelte vor sich hin. Finn erklomm Sprosse für Sprosse, doch schon bald war er atemlos vom Gewicht auf seinem Rücken. Die Kreatur klammerte sich mit ihren umwickelten Händen an ihm fest und drückte ihm die Absätze in den Magen. Er wurde langsamer; nach dreiÃig Streben musste er anhalten und um Luft ringen; seine Arme waren schwer wie Blei. Er hielt sich fest und keuchte. Dicht an seinem Ohr hörte er eine Stimme, die flüsterte: »Lass mich los. Ich kann alleine klettern.«
Erstaunt spürte er, wie die Kreatur von ihm herabstieg, rasch nach der Leiter griff und hinauf in die Dunkelheit verschwand. Unter ihm klopfte ihm Gildas ungeduldig auf den FuÃ. »Nun geh schon weiter. Rasch!«
Staub stieg im Schacht auf, und das gespenstische Zischen von Gas war zu hören. Finn musste sich zwingen, immer weiter und weiter zu steigen, bis die Muskeln in seinen Waden und Oberschenkeln schwach wurden und seine Schultern von der Anstrengung schmerzten. Es kostete ihn Ãberwindung, ein ums andere Mal nach oben zu greifen und sein gesamtes Gewicht auf die nächste Sprosse zu ziehen.
Und dann kam er ohne Vorwarnung auf einer breiteren Fläche heraus und wäre beinahe auf den Transitweg gefallen. Keiro zog ihn vollständig aus dem Schacht heraus. Sie halfen auch Gildas und starrten dann wortlos hinab. Unten waren flackernde Lichtstrahlen zu sehen. Roter Alarm heulte; die aufsteigenden Gaswolken lieÃen Finn husten. Mit tränenden Augen sah er, wie sich ein Paneel mit einem Krachen seitwärts schob und den Schacht verschloss.
Und dann war da nur noch Stille.
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Niemand sprach ein Wort. Gildas nahm die Kreatur an die Hand, und Finn stolperte mit Keiro hinterher. Erst jetzt machten sich der Kampf und der Aufstieg bemerkbar, und Keiro war mit einem Mal vollkommen erschöpft. Aus seinen Wunden tropfte Blut in einer verräterischen Spur auf die Wege aus Metall.
Sie eilten, ohne anzuhalten, durch das Tunnellabyrinth, vorbei an Durchgängen, auf denen sie Markierungen der Civitates erkannten, und an verschlossenen Türen vorüber, und sie zwängten sich durch ein Fallgitter, das groÃe Ãffnungen hatte, die es nutzlos machten. Und immer lauschten sie, denn sie wussten: Wenn die Civitates sie finden würden, dann hätten sie keine Chance mehr. Finn brach der Schweià aus, wann immer der Gang eine Biegung machte oder er in der Ferne ein Klirren oder das Echo von flüsternden Stimmen hörte. Angestrengt lauschte er in die Schatten hinein oder auf einen vorbeihuschenden Käfer , der endlose Kreise durch einen kleinen Raum zog.
Nach einer Stunde führte Gildas, inzwischen lahm vor Anstrengung, sie in einen Gang, der zu einer steil ansteigenden Galerie wurde, welche von wachsamen Augen erleuchtet wurde. Ganz oben, wo es dunkel war, blieb er stehen und lieà sich mit dem Rücken gegen eine winzige, verschlossene Tür sinken.
Finn half Keiro dabei, sich hinzusetzen, und nahm dann neben ihm auf dem Boden Platz; die Hunde-Kreatur war ein zusammengesunkenes Bündel. Einen Moment lang war in dem engen Gang nur stoÃweises, schmerzhaftes Atmen zu hören. Dann erhob sich Gildas.
»Den Schlüssel«, krächzte er. »Schnell, bevor sie uns finden.«
Finn holte ihn heraus. In der Tür war ein sechseckiger Spalt, von Quarzsprenkeln umgeben.
Er
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