Incarceron
bin keine Mörderin.«
Jared nickte, aber er schien mit den Gedanken woanders zu sein und starrte auf den Kristall.
»Meister?«
»Irgendetwas geschieht.« Wie gebannt nahm er ihr den Schlüssel aus den Händen. »Sieh doch nur, Claudia.«
Die winzigen Lichter waren zurück, und dieses Mal bewegten sie sich tief im Innern in schnellem, sich wiederholendem
Muster. Rasch legte Jared das Artefakt auf die Bank. »Es wird warm.«
Doch nicht nur das; es drangen auch Geräusche heraus. Claudia beugte sich mit dem Gesicht näher ran und hörte ein Klirren und etwas, das wie Musik klang.
Dann kamen Stimmen aus dem Schlüssel.
»Es geschieht nichts«, war da zu hören.
Claudia keuchte und fuhr zurück; mit weit aufgerissenen Augen starrte sie Jared an. »Hast du â¦Â«
»Still. Hör doch.«
Eine ältere, rauere Stimme sagte: »Sieh doch genauer hin, dummer Junge. Da drinnen sind Lichter.«
Claudia war fasziniert und kniete sich hin. Jareds schlanke Finger schoben sich leise in seine Tasche, dann holte er seinen Scanner heraus, legte ihn neben den Schlüssel und begann mit einer Aufzeichnung.
Der Schlüssel gab einen leisen, schnarrenden Ton von sich. Dann war die erste Stimme wieder zu hören, die seltsam fern und aufgeregt klang. »Es öffnet sich. Geh zurück.«
Ein Geräusch drang aus dem Artefakt, ein lautes Klicken, schwer zu deuten und hohl, sodass Claudia einen Moment brauchte, um zu verstehen, was das war.
Eine Tür hatte sich geöffnet.
Eine schwere Metalltür, vielleicht schon uralt, denn sie ächzte in den Angeln. Ein Rieseln und ein Bröseln waren zu hören, als ob Rost zu Boden regnete oder Unrat von einem Türsturz fiel.
SchlieÃlich war wieder alles still.
Die Lichter im Schlüssel änderten sich, wurden grün, und dann erloschen sie.
Nur die Raben in den Ulmen beim Wassergraben schrien. Eine Amsel landete auf dem Rosenbusch und wippte mit dem Schwanz.
»Nun, das warâs wohl«, sagte Jared leise.
Er stellte den Scanner neu ein und fuhr damit noch einmal über den Schlüssel. Claudia streckte die Hand aus und berührte den Kristall. Er war kalt.
»Was ist geschehen? Wer war das?«
Jared drehte den Scanner, sodass Claudia einen Blick darauf werfen konnte. »Das war ein Teil einer Unterhaltung. In Echtzeit. Eine Sprachverbindung, die sich kurz geöffnet und wieder geschlossen hat. Ob du dafür verantwortlich warst oder sie es waren, kann ich nicht mit Sicherheit sagen.«
»Sie wussten nicht, dass wir sie hören konnten.«
»Offenbar nicht.«
»Einer von ihnen hat gesagt: Da drinnen sind Lichter .«
Die dunklen Augen des Sapienten fingen ihren Blick auf. »Du denkst, dass sie einen ähnlichen Gegenstand haben?«
»Ja!« Sie sprang auf die Beine, zu aufgeregt, um noch sitzen zu bleiben. Die Amsel flog aufgescheucht davon. »Meister, du hast doch gesagt, dass das nicht nur ein Schlüssel für Incarceron ist. Vielleicht ist das auch ein Gerät, mit dem man kommunizieren kann.«
»Mit dem Gefängnis?«
»Mit den Insassen.«
»Claudia â¦Â«
»Denk mal darüber nach! Niemand kann dort hinein. Wie sonst sollten sie das Experiment überwachen? Oder hören, was da drinnen geschieht?«
Er nickte, und seine Haare fielen ihm dabei über die Augen. »Das ist möglich.«
»Allerdings â¦Â« Claudia runzelte die Stirn, dann sah sie Jared an. »Sie klangen verkehrt.«
»Du musst dich genauer ausdrücken, Claudia«, tadelte Jared. »Was meinst du mit verkehrt ?«
Sie suchte nach den passenden Worten. Als sie ihr einfielen, war sie selber überrascht. »Sie klangen verängstigt.«
Jared dachte nach. Dann bestätigte er: »Ja ⦠das stimmt.«
»Aber wovor sollten sie sich fürchten? Es gibt nichts Bedrohliches in einer perfekten Welt, oder?«
Zögernd sagte Jared: »Vielleicht haben wir einen Ausschnitt aus einem Theater gehört. Oder eine Ãbertragung.«
»Aber wenn sie das alles haben ⦠Theaterstücke und Filme, dann müssen sie doch auch Gefahren, Risiken und Terror kennen. Wäre das möglich? Wie soll das gehen, wenn ihre eigene Welt vollkommen ist? Könnten sie dann überhaupt in der Lage sein, sich solche Geschichten auszudenken?«
Der Sapient lächelte. »Ãber diese Fragen könnten wir uns lange
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