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Incarceron

Incarceron

Titel: Incarceron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Fisher
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zu. »Sprich mit mir«, verlangte er, und seine Stimme war halb erstickt von Zorn und Verachtung. »Oder hast du zu viel Angst davor, mit mir zu sprechen? Wenn ich tatsächlich aus dir geboren wurde, dann sprich mit mir. Sag mir, was ich tun soll. Öffne die Türen.«
    Das Auge blinzelte nicht und war nichts als ein rotes Licht.
    Â»Ich weiß, dass du da bist. Ich weiß, dass du mich hören kannst. Das habe ich immer gewusst. Die anderen mögen es vergessen haben, aber ich nicht.« Jetzt war Finn aufgestanden, ging hinüber und streckte den Arm aus. Doch das Auge saß, wie immer, zu hoch. »Ich habe ihr von dir erzählt und von der Maestra, der Frau, die getötet wurde. Die ich getötet habe. Hast du das beobachtet? Hast du sie fallen sehen und sie aufgefangen? Ist sie irgendwo bei dir und am Leben?«
    Seine Stimme bebte, und sein Mund war trocken. Er kannte diese Anzeichen, aber er war viel zu zornig und zu verängstigt, um aufzuhören.
    Â»Ich werde dir entfliehen. Das werde ich, ich schwöre es. Es muss einen Ort geben, an dem ich Zuflucht finde. An dem du mich nicht mehr sehen kannst. Wo du nicht mehr existierst!«
    Er schwitzte jetzt, und ihm war übel; er musste sich hinsetzen, hinlegen, zulassen, dass die Benommenheit ihn überwältigte, und einen Bilderreigen willkommen heißen, einen Raum, einen Tisch und ein Boot auf einem dunklen See. Die Flut der Bilder drohte, ihn zu ersticken, er kämpfte gegen sie an und ertrank fast in ihr. »Nein!«, rief er. Das Auge war ein Stern. Ein roter Stern, der langsam in seinen geöffneten Mund sank. Und als er in ihm brannte, hörte Finn das Gefängnis ganz schwach wispern, so wie Staub in verlassenen Fluren murmelt oder Asche im Herzen des Feuers glüht.
    Â» Ich bin überall «, flüsterte es. » Überall .«

19
    Durch die endlosen Gänge voller Schuld
spinnt sich der silberne Faden meiner Tränen.
Mein Knöchel ist ein zerbrochener Schlüssel.
Mein Blut ist Öl, das Schmiermittel des Schlosses.
    LIEDER VON SAPPHIQUE
    Â 
    Â 
    E ntsetzt starrte Claudia das Holo-Bild an. »Was meinst du damit, dass ihr eingekerkert seid? Ihr seid doch sowieso im Gefängnis eingesperrt, oder nicht?«
    Der Junge grinste, und in seinen Zügen lag ein leichter Spott, den Claudia schon jetzt verabscheute. Er saß auf einer Bordsteinkante, anscheinend in einer dunklen Gasse, lehnte sich zurück und ließ seinen nachdenklichen Blick auf Claudia ruhen. »Ach, sind wir das tatsächlich, ja? Und wo bist du dann, Prinzessin?«
    Claudia runzelte die Stirn. Sie befand sich in der Garderobe eines Gasthauses, in dem die Kutsche für eine Mittagspause Station gemacht hatte. Der Raum war eine stinkende Steinkammer, die sich viel zu streng ans Protokoll hielt, um behaglich zu sein. Aber Claudia wollte keine Zeit mit Erklärungen vertun. »Hör mir zu, wie auch immer du heißt …«
    Â»Keiro.«
    Â»Nun, Keiro, es ist ungeheuer wichtig, dass ich mit Finn spreche. Wie kommt es überhaupt, dass du den Schlüssel hast?«

    Der fremde Bursche hatte sehr blaue Augen, und seine Haare waren blond und lang. Gut sah er aus, und ganz sicher wusste er das. »Finn und ich sind Eidbrüder«, erklärte er. »Wir sind durch einen Schwur aneinander gebunden. Er hat mir den Schlüssel gegeben, damit er ihm nicht abgenommen werden kann.«
    Â»Also vertraut er dir?«
    Â»Natürlich.«
    Eine andere Stimme mischte sich ein: »Ganz im Gegensatz zu mir.« Hinter Keiro tauchte ein Mädchen auf. Der fremde Junge warf ihr einen finsteren Blick zu und murmelte: »Halt doch einfach die Klappe«, was das Mädchen jedoch nicht davon abhielt, sich hinzuhocken und ein paar hastige Worte an Claudia zu richten.
    Â»Ich bin Attia. Ich glaube, Keiro hat vor, Finn und den Sapienten im Stich zu lassen und zu fliehen, so wie seinerzeit Sapphique. Er meint, dass der Schlüssel ihm dabei helfen könnte. Du darfst das nicht zulassen! Finn wird sonst sterben.«
    Verwirrt von den Namen, erwiderte Claudia: »Warte mal, langsam. Warum wird Finn sterben?«
    Â»Sie scheinen hier in diesem Flügel eine Art Ritual zu haben. Er wird einem Biest vorgeworfen. Kannst du nicht etwas tun? Gibt es nicht irgendeinen Sternenzauber? Du musst uns helfen!«
    Das Mädchen Attia trug die schmutzigsten Kleider, die Claudia jemals gesehen hatte; ihre Haare waren dunkel und zu

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