Indiana Jones und das Geheimnis der Osterinseln
Franklin ihm ja gesagt.
Behutsam setzte Indiana sich auf, schwang die Beine von der Pritsche und versuchte aufzustehen. Sofort begann sein Magen zu rebellieren, und er bewegte sich noch vorsichtiger weiter.
Der Boden unter seinen Füßen schwankte heftig, und sein Magen und sein Kopf schienen sich in gleichem Rhythmus mitzudrehen. Irgendwie war das seltsam, fand Indiana. Es war beileibe nicht das erste Mal, daß er sich an Bord eines Schiffes befand – aber seekrank war er bisher noch nie geworden.
Indiana sah sich müde in der kleinen, schäbigen Kabine um.
Klein und schäbig war sogar noch geschmeichelt. Sie war ein besserer Wandschrank, gerade breit genug für das Bett und einen winzigen Tisch – allerdings nicht gleichzeitig. Beides war mit Scharnieren an der Wand festgeschraubt, so daß man jeweils das eine hochklappen mußte, um das andere zu benutzen.
Indiana verlängerte in Gedanken die Liste der unangenehmen Aufgaben, die er Franklin nach ihrer Landung auf den Osterinseln zuteilen würde, und verließ seine Kabine.
Der Gang, auf den er hinaustrat, war kaum weniger schmal und heruntergekommen als die Kabine. Das Dröhnen der Maschinen war hier deutlicher zu hören, und sein Magen rebellierte plötzlich so stark, daß er sich mit beiden Händen die Wand entlangtasten mußte, als er den Weg zur Treppe einschlug. Er brauchte frische Luft, und zwar dringend.
Indiana bekam fast mehr davon, als ihm lieb war, denn Sturm und Gischt schlugen ihm wie eine nasse Hand ins Gesicht, als er auf das Deck der HENDERSON hinaustrat. Einen Moment lang erwog er ernsthaft den Gedanken, wieder in seine Kabine zurückzugehen und einfach weiterzuschlafen, aber dann trat er doch vollends in den Sturm hinaus und sah sich aus zusam-mengekniffenen Augen um.
Es war dunkel. Sturm und Seegang waren ganz kurz vor dem Punkt, an dem die Männer oben auf der Brücke anfangen würden, sich Sorgen zu machen, und die HENDERSON pflügte mit voller Fahrt durch die Wellen.
An Deck brannte kein einziges Licht.
Indiana hielt sich mit der linken Hand fest, um auf dem glitschigen, schwankenden Deck nicht die Balance zu verlieren, drehte das Gesicht aus dem Wind und sah sich mit wachsender Beunruhigung um. Unter seinen Füßen dröhnten die Maschinen des Schiffes, der Bug teilte mit einem unablässigen, kraftvollen Dröhnen die Wellen, aber nirgends war auch nur eine Bewegung oder ein Licht zu sehen. Es war, als befände er sich auf einem Geisterschiff. Selbst hinter den großen Scheiben der Brücke herrschte Dunkelheit. Was um alles in der Welt ging hier vor?
Durch das Dröhnen der Maschinen und des Sturmes drang ein anderer Laut an sein Ohr: ein gepreßtes Stöhnen, dem ein plötzliches Würgen folgte. Indiana drehte sich um und sah eine gebeugte Gestalt an der Reling. Offenbar war er nicht der einzige, der trotz Regen, Sturm und Dunkelheit an Deck gekommen war.
Als er sich der Gestalt näherte, sah er, daß es niemand anderes war als Grisswald, der an der windabgewandten Seite der HENDERSON stand und ausgiebigst, aber wahrscheinlich ohne großes Vergnügen Poseidon opferte.
Indiana räusperte sich, erzielte damit aber keinerlei Erfolg und räusperte sich noch einmal und noch einmal, bis Grisswald schließlich reagierte und mit einem Ruck den Kopf umwandte.
Auf seinem Gesicht erschien ein fast entsetzter Ausdruck, als er Indiana erkannte. »Dr. Jones!« sagte er. »Was tun –«
Den Rest seiner Frage spie er zusammen mit seinem letzten Abendessen über Bord, und Indiana wandte sich diskret ab, bis die unangenehmen Würgegeräusche hinter ihm wieder ver-klangen. Ihm wurde klar, daß er Grisswald in eine peinliche Situation gebracht hatte.
»Bitte verzeihen Sie, Mr. Grisswald«, sagte er, ohne sich zu seinem Dekan umzudrehen. »Ich wollte Sie nicht in eine peinliche Situation bringen.«
»Peinlich? Peinlich! « Grisswald begann zu schimpfen wie ein Rohrspatz, und nach ein paar Sekunden drehte sich Indiana doch wieder herum und sah ihn an. Grisswald war grün im Gesicht, aber er wirkte nicht peinlich berührt, sondern er war offenbar stinkwütend. »Verdammte Sauerei!« giftete er, während er sich mit einem alles andere als sauberen Taschen-tuch immer wieder über die Lippen fuhr. »Irgend jemand wird mir dafür bezahlen, Dr. Jones, das schwöre ich Ihnen!«
»Niemand kann etwas für den Sturm«, antwortete Indiana.
»Und vor Seekrankheit ist keiner gefeit. Glauben Sie mir, ich habe schon ganz andere –«
»Seekrank?« unterbrach
Weitere Kostenlose Bücher